Im Ölstreit zwischen Russland und Weißrussland gibt es erste Zeichen einer leichten Entspannung. Aus Minsk sei eine Delegation zu Gesprächen über einen neuen Liefervertrag nach Moskau abgeflogen, sagte ein Sprecher der Regierung in Minsk nach Angaben der Agentur Interfax. Trotz des ungelösten Preisstreits pumpt Russland wieder Öl in das Nachbarland. Seit Sonntag (3. Jänner) fließe wieder Öl an weißrussische Raffinerien, zitierte die Nachrichtenagentur Interfax den stellvertretenden russischen Ministerpräsidenten Igor Setschin. Sein Chef Wladimir Putin hofft auf eine rasche Beilegung des Konflikts.
Hinweise auf Beeinträchtigungen von Lieferungen nach Deutschland lagen nicht vor. Der Transport russischen Öls via Weißrussland über die Pipeline "Druschba" an die Kunden in der EU verlaufe normal, sagte eine Sprecherin des staatlichen weißrussischen Energiekonzerns Belneftekhim. Dennoch sorgte der andauernde Streit am Ölmarkt für Unruhe: Ein Barrel US-Öl kletterte erstmals seit mehr als zwei Monaten wieder über die Marke von 81 Dollar (56,3 Euro) und notierte am späten Nachmittag bei 81,23 Dollar.
Zwei Händler von russischen Ölproduzenten hatten erklärt, Russland habe seit dem 1. Jänner seine Lieferungen an den Nachbarstaat eingestellt, nachdem sich die beiden Länder nicht über die Transit- und Abnehmerpreise einigen konnten. Über die Leitung "Druschba", die nach Kapazität und Länge eine der weltweit größten Pipelines ist, bezieht Deutschland rund 15 Prozent und Polen mehr als drei Viertel seines Ölbedarfs. Vor drei Jahren hatte ein ähnlicher Konflikt zu Unterbrechungen der Lieferungen geführt. Europa erhält zudem ein Fünftel seines Gases aus Russland über Leitungen durch die Ukraine und Weißrussland.
Weißrussland will mehr zollfreies Öl
Gespräche zwischen russischen und weißrussischen Vertretern in Moskau dauerten an, verlautete aus Kreisen. Weißrussland beharrt darauf, dass Russland der ehemaligen Sowjetrepublik mehr zollfreies Öl zur Verfügung stellt und die Zuschläge nicht nur für Bestände erlässt, die in Weißrussland verbraucht werden. Der Großteil des russischen Öls wird in den weißrussischen Raffinerien Naftan und Mozyr für den Weitertransport nach Europa verarbeitet. Lediglich ein kleiner Teil dient dem lokalen Verbrauch. Händler zufolge reichen die Reserven in Mozyr und Naftan aus, um den Betrieb rund eine Woche aufrechterhalten zu können.
Angesichts des offenbar schärfer werdenden Streits über die Lieferbedingungen drohte das staatliche weißrussische Elektrizitäts-Unternehmen Belenergo nun, die Stromversorgung der russischen Exklave Kaliningrad zu unterbrechen. Die Nachrichtenagentur Interfax zitierte einen Vertreter der Stromfirma, die Zufuhr könne unterbrochen werden, weil es keine richtige Vereinbarung für die Nutzung des weißrussischen Netzes gebe.
Putin eingeschaltet
In den seit Tagen schwelenden Ölstreit zwischen Russland und Weißrussland hat sich nun auch der russische Regierungschef Wladimir Putin eingeschaltet. "Ich bitte Sie, die Verhandlungen (über einen neuen Vertrag) fortzusetzen, und hoffe, dass die Vereinbarungen demnächst erzielt werden", sagte Putin zu Vizepremier Igor Setschin bei einem Treffen in Moskau. Setschin versicherte Putin, dass die Lieferungen von russischem Öl sowohl an Weißrussland als auch für den Transit nach Westeuropa problemlos laufen würden. Zuvor hatte bereits der Petrochemie-Konzern Belneftechim in Minsk nach Angaben der Agentur Interfax bestätigt, dass Moskau trotz des Konflikts die vereinbarte Menge Öl nach Weißrussland pumpe.
Neuer Ärger zwischen den Nachbarländern droht auch um den Transit von russischem Strom durch Weißrussland in die Ostsee-Exklave Kaliningrad, dem früheren Königsberg. Das staatliche Elektrizitätsunternehmen Belenergo in Minsk drohte, die Versorgung wegen eines abgelaufenen Vertrags mit Moskau zu unterbrechen. Der Sprecher eines russischen Stromerzeugers nannte die Drohung "Erpressung" und "Rache" für den parallelen Ölstreit zwischen beiden Ländern. "Wir hoffen, dass der gesunde Menschenverstand die Oberhand gewinnen wird", wurde er von der Staatsagentur Ria Nowosti zitiert.
Der heftige Konflikt widerspricht russischen Plänen, bis 2012 mit den Ex-Sowjetrepubliken Weißrussland und Kasachstan einen gemeinsamen Wirtschaftsraum zu gründen. Eine entsprechende Absichtserklärung hatten die Präsidenten der drei Staaten erst Ende Dezember abgegeben.