Schuldendruck belastet Euro-Zone langfristig
08.02.2010
Die in der Krise aufgehäuften Schulden haben in der Euro-Zone Spannungen ausgelöst wie nie zuvor seit ihrer Gründung vor 11 Jahren. Fürs erste dürfte das die 16 Volkswirtschaften noch nicht auseinandertreiben. Ein Ausstieg der schwächeren Mitglieder kann nach Einschätzung von Experten jedoch langfristig nicht mehr ausgeschlossen werden.
Für Staaten wie Griechenland, Spanien oder Portugal droht es auf Dauer teuer zu werden, die strengen fiskalpolitischen Bedingungen für die Gemeinschaftswährung zu erfüllen. Die rapide steigenden Preise für ihre Staatsanleihen zeigen, dass diese Rechnung an den Märkten bereits angestellt wird. Die Erwartung an die wirtschaftlich starken Euro-Staaten wie Deutschland und Frankreich wächst, den Partnern aus der Klemme zu helfen.
Die Unterschiede zwischen den Volkswirtschaften sind allerdings so groß, dass es mit kurzfristigen Hilfen nicht getan ist. Die Probleme der schwächeren Euro-Länder drohen das Wachstum der Währungsregion auf Jahre hinaus zu bremsen. "Eine Weile sah alles ganz gut aus", sagt Olivier Blanchard, Chef-Volkswirt des IWF. "Aber jetzt fällt auf, dass Spanien und Portugal auf der einen Seite stehen und Deutschland am anderen Ende. Eine Annäherung ist da nicht so leicht vorstellbar."
Die Schwäche der südlichen Euro-Staaten wurde in den ersten Jahren der Währungsgemeinschaft überdeckt durch das globale Wachstum, die weltweite Geld- und Kreditfülle und den Boom auf den Immobilienmärkten, an dem beispielsweise Spanien ordentlich beteiligt war. Die Gemeinschaftswährung hat die Mitglieder zudem während der Hochphase der Finanzkrise zwischen 2007 und 2009 vor den schlimmsten Ausfällen geschützt.
"Geldpolitische Zwangsjacke"
In den vergangenen Monaten hat sich die Lage jedoch verändert. Öffentliche Schulden und Arbeitslosigkeit sind so stark angestiegen, dass die Länder schon einen regelrechten Wachstumsschub bräuchten, um wieder in Schwung zu kommen. Als Mitglieder der Euro-Zone können sie aber weder Zinsen senken noch ihre Währung abwerten, um der Konjunktur Impulse zu geben. Die geldpolitische Zwangsjacke dürfte in absehbarer Zeit festgezurrt bleiben: Eine wirtschaftliche Erholung in Staaten wie Deutschland erhöht den Druck auf die EZB, die Länder mehr und mehr vom Tropf der Liquiditätshilfen zu nehmen.
Das zweite Jahrzehnt der Währungsunion wird ganz anders aussehen als das erste: Die Zinsraten werden sich nun an den Bedürfnissen der großen Volkswirtschaften der Euro-Zone orientieren, warnt Daniel Gros, Chef des Centre for European Policy Studies in Brüssel. "Die EZB wird Politik für das Herzstück machen. Die Ränder werden leer ausgehen." Die Gemeinschaft werde überleben, es sei aber nicht mehr völlig unvorstellbar, dass ein kleineres Mitglied aussteige.
Die Experten sind sich aber sicher, dass bis dahin viel Zeit vergehen wird. Noch ist die Schmerzgrenze der schwächeren Euro-Mitglieder nicht erreicht. Ein Abschied wäre zudem faktisch und politisch mit solch hohen Kosten verbunden, dass die Regierungen zunächst alle anderen Möglichkeiten ausschöpfen werden. Um beispielsweise einer Kapitalflucht vorzubeugen, müsste ein Aussteiger alle heimischen Bankeinlagen aus dem Euro-System herauslösen oder seine Gehälter über Nacht in einer neuen Währung auszahlen.
Der Nobelpreisträger Michael Spence erwartet daher nicht, dass die Euro-Zone unter dem Druck auseinanderbricht. "Dafür ist sie zu wertvoll", sagt der Volkswirt. Umso wahrscheinlicher wird es aber, dass die Starken den Schwachen allen offiziellen Dementis zum Trotz irgendwann helfen müssen. Es werde "Ad-Hoc-Interventionen" geben, sagt Spence, "kreative Lösungen je nach Bedarf".
Mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der Peripherie
Damit sollten sich die heftigsten Ausschläge der Schuldenkrise abfangen lassen. Langfristig bleibt das Problem, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Peripherie deutlicher denn je hinterherhinkt, ihr Aufholprozess einen Teil des Wachstums aufzehrt und damit die Fliehkräfte in der Euro-Zone erhöht. Die EU-Kommission hat im Jänner in einer Studie den Finger in diese Wunde gelegt. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle warnte zuletzt vor der "gefährlichen Schwäche" einiger Euro-Staaten, die fatale Auswirkungen auf alle haben könne.
Die einzige Lösung aus Sicht der Experten wäre, dass die Währungsgemeinschaft mehr Verantwortung übernimmt und Kontrolle ausübt. "Irgendwann muss man sich mit der fiskalpolitischen Verzettelung Europas auseinandersetzen", sagt Deutsche-Bank-Volkswirt Gilles Moec.