Verwaltungsgerichtshof nimmt Baugenehmigung zurück.
Der Verwaltungsgerichtshof hat am Montag den Bau des Semmering-Basistunnels wegen Verfahrensmängeln vorerst gestoppt. Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) will das Urteil prüfen, ist aber zuversichtlich, dass der Fertigstellungstermin 2024 trotzdem hält. Auch die ÖBB wollen das Projekt "nicht grundsätzlich hinterfragen" und hoffen, dass sie bald weitermachen können.
© Alliance for Nature
© Alliance for Nature
© Alliance for Nature
© Alliance for Nature
© Alliance for Nature
© Alliance for Nature
© Alliance for Nature
© Alliance for Nature
© Alliance for Nature
© Alliance for Nature
Naturschützer: "Etappensieg"
Als "Etappensieg" sieht "Alliance For Nature" das Erkenntnis. Die Naturschutzorganisation kämpft schon seit 1992 gegen das Projekt. "Alliance For Nature"-Generalsekretär Christian Schuhböck fordert weiterhin die "politische Totalabsage" und spricht von einem "unnötigen Prestigeprojekt". Die verkehrspolitischen Voraussetzungen seien nicht gegeben, so Schuhböck. "Der Verkehr über den Semmering ist stagnierend bis rückläufig."
Bures hält an Zeitplan fest
Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) hält trotzdem am Zeitplan für dessen Fertigstellung fest. Diese ist für 2024 vorgesehen. Man werde das VwGH-Erkenntnis "genau prüfen" und die Auflagen, die sich daraus ergeben, "zügig" umsetzen, so die Ministerin.
Gericht verlangt neues Gutachten
Der VwGH stellte fest, dass bei einem der Gutachter kein Nachweis vorliege, dass er die im Gesetz vorgesehene Qualifikation habe. Daher müsse ein neues Gutachten erstellt werden, mit einem berechtigten anderen Gutachter. Problem war, dass der vom Ministerium beauftragte Sachverständige zwar für die Arbeit geeignet war, seinerseits aber Subaufträge an Personen weitergab, die nicht dafür beeidigt waren. Da reiche es auch nicht, dass das Verkehrsministerium behauptet, der Sachverständige sei befähigt, denn "in den vorgelegten Verwaltungsakten findet sich kein Nachweis, wonach der Gutachter dafür beeidet wäre". Die mangelnde Qualifikation hatte die Umweltorganisation Alliance für Nature geltend gemacht.
Fehler bei Lärmberechnung
Außerdem stellt der VwGH fest, dass die Lärmbelastung eines Hofes nicht richtig erhoben wurde. Einerseits hätte der Lärm auch bei den Naturteichen und nicht nur bei den Wohnzimmerfenstern berücksichtigt werden müssen. Andererseits hätte es Lärmmessungen geben müssen und nicht nur Berechnungen: "Der Messung ist der Vorrang vor einer Berechnung von Immissionen einzuräumen", so die Richter. Auch sei die Lärmbelästigung im Rahmen der Baustelle zu beachten und nicht nur beim Betrieb der Bahn. "Unberücksichtigt blieb weiters die Einwendung hinsichtlich etwaiger Aufwachreaktionen, ausgelöst durch Schallpegelspitzen".
Aus Sicht des VwGH wurde auch zu wenig Rücksicht auf unterschiedliche Einschätzungen des UVP‐Sachverständigen für Landwirtschaft und der Sachverständigen für Ökologie genommen: Dabei geht es um die langfristigen Auswirkungen auf die Bio‐Permakulturanlage des Betriebes. "Eine Auseinandersetzung mit der Einwendung der Eigentumsgefährdung infolge eines Ertragsverlustes ist dem bekämpften Bescheid nicht zu entnehmen", schreibt der VwGH.
Schließlich hält der VwGH (19. Dezember 2013, Zlen2011/03/0160, 0162, 0164, 016523) fest, dass die Deponie Longsgraben keine Eisenbahnanlage ist, daher sei eine Bewilligung nach dem Eisenbahngesetz nicht notwendig, sehr wohl aber ein gesondertes abfallrechtliches Verfahren.
Die vom Verkehrsministerium am 27. Mai 2011 erteilte Genehmigung wurde daher vom Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Gericht: Tunnel im öffentlichen Interesse
Das Verkehrsministerium kann aber in dem Verfahren auch auf Erfolge verweisen. "Die Behörde hat in überzeugender Weise dargelegt, dass die Errichtung des SBT neu im öffentlichen Interesse liegt" schreibt der VwGH. Auch entsprechen die Maßnahmen zur Zurückhaltung des Bergwassers dem Stand der Technik, die Auswirkungen auf den Grund‐/Bergwasserkörper werden möglichst gering gehalten. Auch der Denkmalschutz werde nicht berührt.
Es geht um die km 75,651 bis km 118,122 der ÖBB‐Strecke Wien Süd ‐ Spielfeld/Straß im Zuge des Semmering-Basistunnels neu. Gegen den Bescheid hatten die "Alliance for Nature" und drei Anrainer Beschwerde erhoben. Sie wehren sich einerseits gegen den Tunnelbau, andererseits gegen die Deponie zur Ablagerung von Tunnelausbruch und Baurestmassen.