Sender verteidigt sich
Servus TV lädt Identitären ein: Wirbel
20.10.2016
Drei von fünf Gästen sagten Teilnahme an "Talk im Hangar-7" ab.
Die Einladung des rechtsextremen Identitären Martin Sellner zum "Talk im Hangar-7" sorgt für Wirbel beim zu Red Bull gehörenden Fernsehsender Servus TV. Am Donnerstagvormittag sagten drei der fünf Gäste ihre Teilnahme an der Diskussion über radikale Jugendliche ab, sollte der Sender an der Einladung von Sellner festhalten. Die Live-Diskussion ist für heute, Donnerstag, 22.15 Uhr angesetzt.
Ersatz-Gäste
Wie ein Sprecher von Servus TV zur APA sagte, findet die Sendung in jedem Fall statt. Moderator Michael Fleischhacker verteidigte zudem die Einladung von Sellner. Nach der Absage von drei der fünf eingeladenen Gäste diskutiert "Talk im Hangar-7"-Moderator Michael Fleischhacker am Donnerstagabend auf Servus TV mit den verbliebenen beiden Diskussionsteilnehmern, dem rechtsextremen Identitären Martin Sellner und dem Grünen Ex-Bundesrat Efgani Dönmez sowie zwei - noch nicht genannten - Ersatzgästen.
"Die Runde wird zu Efgani Dönmez und Martin Sellner noch um zwei weitere Gäste erweitert", erklärte Servus TV am Donnerstagnachmittag gegenüber der APA. Die Live-Diskussion startet um 22.15 Uhr.
Servus-TV verteidigt Einladung
Kenan Güngör, Autor der kürzlich veröffentlichten Wiener Radikalisierungsstudie, der Jugendforscher Winfried Moser sowie Imam Ramazan Demir hatten zuvor mit Verweis auf Sellners rechtsextremistischen Hintergrund abgesagt. Dönmez hingegen meint, dem "völkischen Herrenmenschengehabe" könne man nicht durch Ausgrenzung sondern mit Argumenten beikommen, wie er auf Twitter schrieb.
Der zum Getränkekonzern von Dietrich Mateschitz gehörende Fernsehsender Servus TV verteidigte die Einladung von Sellner. Es gehe bei "Talk im Hangar-7" darum, die "ganze Bandbreite des Denkbaren abzubilden", erklärte Fleischhacker. Sellner hält die Absagen für "unglaublich demaskierend für den Stand der Meinungsfreiheit in Österreich".
Absagewelle
Anlass des Diskussionsthemas "Radikale Jugend: Wie gefährlich sind unsere Muslime?" ist eine Studie der Stadt Wien, wonach junge Muslime, die in Jugendzentren betreut werden, gefährdet ist, radikalisiert zu werden. Ausgelöst wurde die Absagewelle vom Studienautor Güngör. Ihm zufolge haben die Gäste Mittwochabend von Servus TV die Teilnehmerliste erhalten. Güngör schrieb auf Facebook: "Neben dem, dass einem rechtsextremen Ideologen mit einer Neo-Nazi Vergangenheit die mediale Bühne gegeben wird, möchte ich nicht, dass unsere Studie, als Steilvorlage für rechtspopulistische Propanda missbraucht wird."
Jugendforscher Moser teilte Güngörs Posting und sagte ebenfalls ab. Auch Imam Demir schloss sich an. Demir, der auch als Religionslehrer und Gefängnisseelsorger tätig ist, schrieb auf Facebook: "Liebes Servus-Tv-Team, ich möchte nicht mit einem der führenden Rechtsextremisten Österreichs, dem ehemaligen Küssel-Freund und heutigen 'Identitären'-Obmann Martin Sellner zusammenkommen und diskutieren." Servus TV dürfe Rechtsextremen keine Plattform bieten, dadurch würde Rassismus und Islamfeindlichkeit gefördert.
Auseinandersetzung statt Diskussionsverweigerung
Dönmez sieht dies anders: "Diese Geisteskinder bekämpft, man indem man sich mit denen auseinandersetzt, statt Diskussionsverweigerung zu betreiben", erklärte Dönmez auf Twitter. "Sellner ist 27J alt. Gestandene Leute aus Politik/Medien trauen sich nicht diesem jungen Mann die Stirn durch Argumente zu bieten? Weicheier". Dönmez will dem "völkischen Herrenmenschengehabe" mit Argumenten beikommen.
Sellner ist nach eigenen Angaben "Co-Leiter" der Identitären Bewegung, die vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) als rechtsextrem eingestuft wird. Sellner selbst erklärte in einem Facebook-Video, die Absagen seien "unglaublich demaskierend für den Stand der Meinungsfreiheit in Österreich".
"Ganze Bandbreite des Denkbaren abbilden"
Servus TV hält an der Einladung Sellners jedenfalls fest. In einer der APA übermittelten Stellungnahme erklärte der frühere "Presse"- und NZZ.at-Chefredakteur Fleischhacker, es sei falsch, "sich mit dem, was sich derzeit an beiden Enden des ideologischen Spektrums tut, nicht auseinanderzusetzen". Teile davon seien bereits in der Mitte der Gesellschaft angekommen, und es sei notwendig, sich offen damit auseinanderzusetzen.
Fleischhacker: "Martin Sellner hat eine Vergangenheit im Neonazi-Umfeld, und er ist strafrechtlich unbescholten. FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache hat auch eine Vergangenheit im Neonazi-Umfeld, heute ist er Klubobmann im Parlament." In einem Rechtsstaat wie Österreich dürfe man sowohl Rechtsextremist als auch Linksextremist sein, so lange man im Ausleben seiner Überzeugungen nicht die Grenzen des geltenden Rechts überschreite. "Wir beim 'Talk im Hangar 7' sehen es als unsere Aufgabe, in den Diskussionen, die wir führen, die ganze Bandbreite des Denkbaren abzubilden. Wir glauben nämlich an unser Publikum und seine Fähigkeit, sich auf dieser Grundlage eine eigene Meinung zu bilden."