Signa-Pleite

Haftbefehl: Mafia-Vorwurf gegen René Benko

03.12.2024

Die Staatsanwaltschaft Trient hat einen Haftbefehl gegen René Benko, den Gründer der insolventen Immobiliengruppe Signa, erlassen.  Aber: Europäische Haftbefehle gegen österreichische Staatsbürger auf österreichischem Territorium werden in der Regel nicht vollstreckt. 

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Weitere Personen wurden in Italien festgenommen, darunter der Bozner Wirtschaftsberater Heinz Peter Hager und die Bürgermeisterin von Riva del Garda, Cristina Santi. Alle stehen unter Hausarrest. Im Bozner Rathaus sei eine Durchsuchung durch die Polizei im Gange, berichten italienische Medien.

Insgesamt wurden am Dienstag 100 Durchsuchungen bei weiteren Personen durchgeführt, gegen die ermittelt wird. Ziel waren Unternehmen und öffentliche Einrichtungen in den Provinzen Trient, Bozen, Brescia, Mailand, Pavia, Rom und Verona sowie im Ausland. Die vom Amtsgericht Trient auf Antrag der Staatsanwaltschaft erlassene Maßnahme ist den Angaben zufolge Ergebnis einer komplexen Ermittlungstätigkeit, die von der italienischen Polizei und der Steuerpolizei durchgeführt wurde.

© APA/SUCCUS/GERD EDER

"Es wird kein Europäischer Haftbefehl gegenüber Herrn Benko vollzogen. Herr Benko wird weiterhin - wie bisher - mit allen nationalen wie internationalen Behörden vollumfänglich kooperieren und ist zuversichtlich, dass sich allfällige Vorwürfe ihm gegenüber als inhaltlich unrichtig aufklären lassen", sagte Benkos Anwalt Norbert Wess in einer ersten Stellungnahme zur APA.

Mehrere Straftaten vorgeworfen

Die den Personen zur Last gelegten Vorwürfe umfassen laut der Staatsanwaltschaft von Trient die Bildung einer kriminellen Vereinigung, Manipulation von Ausschreibungen, unrechtmäßige Parteienfinanzierung, unzulässige Einflussnahme, Betrug, unrechtmäßigen Bezug von Leistungen zum Nachteil des Staates sowie verschiedene Straftaten gegen die öffentliche Verwaltung, darunter Korruption, unzulässige Veranlassung zu Handlungen, Offenlegung von Amtsgeheimnissen und Unterlassung von Amtshandlungen, ebenso wie Verstöße gegen steuerrechtliche Vorschriften im Zusammenhang mit der Ausstellung von Rechnungen für nicht tatsächlich durchgeführte Geschäfte. Laut Aussendung der Trienter Staatsanwaltschaft gilt bis zur möglichen Verurteilung die Unschuldsvermutung.

Im Rahmen einer umfangreichen Untersuchung der Staatsanwaltschaft Trient zu verschiedenen Immobilienprojekten in Norditalien laufen auch Ermittlungen in Südtirol. Die Ermittlungen betreffen Projekte in den Jahren 2018 bis 2022. Insgesamt 77 Personen sind von den Nachforschungen betroffen, darunter 11 Beamte der öffentlichen Verwaltung, 20 Manager und Beamte lokaler Behörden und Beteiligungsgesellschaften, Angehörige der Polizei, Freiberufler und auch eine Reihe von Südtiroler Unternehmern. Bisher wurden den italienischen Medienberichten zufolge neun Personen unter Hausarrest gestellt.

Die schillernde Figur Heinz Peter Hager

Von den Personen, gegen die ermittelt wird, wurden zum Teil Beschlüsse der öffentlichen Verwaltung beeinflusst und kontrolliert, insbesondere im Bereich der Bauspekulation in Trentino-Südtirol. Die beteiligten Unternehmer sollen sich zur Verfügung gestellt haben, um die Wahlkampagnen der lokalen Verwaltung zu finanzieren und um dann Konzessionen, vereinfachte Verfahren und Zugeständnisse für ihre Immobilienprojekte zu erhalten.

Als gesetzlicher Vertreter einiger Gesellschaften ist auch Heinz Peter Hager in diese Ermittlungen involviert. Er ist Präsident der WaltherPark AG. Seit mehr als zehn Jahren ist er Partner von René Benko. Der Wirtschaftsberater mischt seit Jahren bei vielen Immobilienprojekten mit. Über das Projekt "Waltherpark" in Bozen hat er einen hohen Bekanntheitsgrad erlangt. "Heinz Peter Hager hat den Ermittlern volle Zusammenarbeit angeboten und äußert großes Vertrauen in die Justiz", teilte die Pressestelle des bekannten Bozner Wirtschaftsprüfers mit.

Benko muss vorerst in Österreich nicht in Haft 

Dass René Benko, gegen den die Staatsanwaltschaft Trient einen Europäischen Haftbefehl erlassen hat, vorerst auf freiem Fuß bleibt, ist für rechtliche Auskenner keine Überraschung. Ist ein österreichischer Staatsbürger von einer anderen EU-Strafverfolgungsbehörde zur Festnahme ausgeschrieben, wird ein Europäischer Haftbefehl in der Regel nicht vollstreckt, wenn der Betroffene auf österreichischem Territorium von der Polizei angetroffen wird.

Grundsätzlich dient ein Europäischer Haftbefehl dazu, dass eine Justizbehörde eines EU-Landes die Festnahme einer tatverdächtigen Person in einem anderen EU-Land zwecks Übergabe dieser Person zur Strafverfolgung erwirken kann. Das Verfahren beruht auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen. Es findet in allen EU-Ländern Anwendung. 

Ermittlungen auch in Österreich möglich

Können die Delikte, derer die betroffene Person von einer ausländischen Anklagebehörde verdächtigt wird, allerdings auch in Österreich untersucht und allenfalls zu einem späteren Zeitpunkt verhandelt werden, wird zwar von der örtlich zuständigen heimischen Staatsanwaltschaft formal ein Übergabeverfahren eröffnet. Vollstreckt wird der Europäische Haftbefehl aber nicht, weil im konkreten Fall davon ausgegangen werden kann, dass die Benko von italienischer Seite unterstellten Delikte auch hierzulande ermittelt werden könnten. Benko wird von der Staatsanwaltschaft Trient unter anderem der Bildung einer kriminellen Vereinigung, der Manipulation von Ausschreibungen, unrechtmäßiger Parteienfinanzierung und des Betrugs verdächtigt - sämtliche Delikte sich auch nach dem österreichischen Strafgesetzbuch strafbar.

Insider gehen davon aus, dass Benkos Rechtsvertreter dafür gesorgt haben bzw. sorgen werden, dass eine so genannte Kennzeichnung im Schengener Informationssystem vorgenommen wird. Damit wäre gewährleistet, dass jede österreichische Polizeidienststelle mit einem Blick in den Computer die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Innsbruck präsent hat, Benko vorerst auf freiem Fuß zu belassen. Benko müsste dann nicht bei jeder Begegnung mit der Polizei befürchten, angehalten und mit dem Europäischen Haftbefehl konfrontiert zu werden.

Österreich eher nicht verlassen

Das Land verlassen sollte der 47-Jährige sicherheitshalber vorerst allerdings nicht. Das Risiko, dass aufgrund des von Italien erlassenen Haftbefehls im benachbarten Ausland die Handschellen klicken, wäre nicht unbeträchtlich.
 

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