Angst nach Wahlsieg

Trump 2.0: Droht ein neuer Handelskrieg?

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Der erneute Wahlsieg Donald Trumps in den USA schürt Ängste, dass die USA unter seiner Führung noch mehr als bisher auf Protektionismus setzen, Handelsbarrieren errichten und die WTO weiter aushöhlen könnten. 

Doch diese Rückkehr zur wirtschaftspolitischen Ordnungspolitik ist schon seit Jahren im vollem Gange, und Unternehmen täten gut daran, sich darauf einzustellen, sagt Nikolaus Lang, Leiter des Center for Geopolitics beim Strategieberater Boston Consulting Group (BCG).

Krisen wie die Corona-Pandemie oder der Ukraine-Krieg hätten Regierungen dazu bewogen, eine andere Industriepolitik zu machen, um die industrielle Basis ihrer Länder zu stärken. Einerseits gebe es proaktive Industriepolitik wie den Inflation Reduction Act (IRA) und den CHIPS Act der USA oder den Green Deal der EU - andererseits aber auch limitierende Faktoren wie die Zölle, die die USA einheben, oder den Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM; Kohlenstoffgrenzausgleich, Anm.), den die EU eingeführt habe und der auf CO2-intensive Produkte im Bereich Stahl, Zement und Chemie gerichtet sei.

"Welt ist ja mehr oder weniger Zollfrei"

"Früher war das eine Milliarde da, eine Milliarde dort. Wenn man jetzt grob sagt, der CHIPS Act sind 60 Mrd. Dollar, der IRA ist nördlich von 350 Mrd. Dollar, der Green Deal ist über 300 Mrd. Euro - also das sind Pakete in einem Ausmaß, wie wir sie schon lange nicht mehr gesehen haben", so Lang.

"Dank der WTO hatte man ja lange schon gedacht: Die Welt ist eigentlich mehr oder weniger zollfrei oder zumindest in vielen Bereichen in einem Niedrigzoll-Umfeld. Aber da haben wir natürlich schon die ganzen Zölle aus der Trump-I-Regierung, die ja dann die Biden-Regierung weitergeführt hat gegen chinesische Produkte."

CO2-Abgaben auf importierte Produkte

Der Carbon Border Adjustment Mechanism der EU wurde eingeführt, damit die Klimaschutzmaßnahmen der Europäischen Union nicht durch "Carbon Leakage" untergraben werden, also durch eine Verlagerung der Produktion in Länder mit weniger strengen Umweltstandards. Indem die EU einen Preis auf den CO2-Ausstoß von importierten Produkten erhebt, wird ein Anreiz geschaffen, dass Handelspartner ihre eigenen Emissionsvorschriften verschärfen.

Lang hat aber Zweifel an der Effektivität der EU-Zölle. "Ein Beispiel: Die durchschnittlichen Elektrofahrzeuge in Europa kosten zwischen 35.000 und 40.000 Euro. Die Elektrofahrzeuge, die aus China kommen, haben wahrscheinlich einen Grenzwert von 20.000 Euro. Wenn ich da drauf im Schnitt 20 oder 30 Prozent zusätzlichen Zoll einhebe, dann habe ich zwischen 4.000 und 6.000 Euro Zoll. Das heißt, das chinesische Fahrzeug ist noch immer 10.000 Euro günstiger als das durchschnittliche europäische Fahrzeug." Allerdings sei China nicht nur durch Preisdumping erfolgreich. "Ich glaube, dass die chinesische Industrie effizienter ist als unsere. Das hat nicht nur mit Dumping zu tun."

Zeit der WTO vorbei

Die große Zeit der Welthandelsorganisation (WTO) als dominante Kraft im internationalen Handelssystem scheint jedenfalls auf absehbare Zeit vorbei zu sein. Das liegt einerseits an der Stagnation der 2001 ins Leben gerufenen Doha-Runde der Welthandelsgespräche, da sich die Mitgliedstaaten nicht auf zentrale Themen wie Agrarsubventionen einigen konnten. Ein weiteres schwerwiegendes Problem war die Blockade der Berufungsinstanz (Appellate Body). Diese Instanz war das höchste Organ der WTO, das bei Handelsstreitigkeiten entscheiden sollte. Seit 2019, also während Trumps erster Amtsperiode, ist das Appellate Body praktisch handlungsunfähig, weil die USA ihre Zustimmung zu neuen Ernennungen verweigern und damit die Mindestzahl an Richtern für Entscheidungen nicht mehr erreicht wird.

"Die Realität ist, dass die großen Weltmächte, also USA und China, die Position der WTO graduell aushöhlen", so Lang. "Geopolitische Entscheidungen wie die der USA und der EU gegen Russland oder gegen den Iran oder Nordkorea haben klar die Priorität vor handelsrechtlichen Entscheidungen."

Trend zum Bilateralismus

"Wir haben derzeit in verschiedenen Bereichen eine starke Bewegung vom Multilateralismus hin zum Bilateralismus", meint Lang, der auch den Think Tank Henderson Institute der BCG leitet. "Die USA entscheiden vollkommen eigenmächtig, welche Zölle sie mit China ins Leben rufen. Trump hat als Kandidat gesagt, er will 60 Prozent auf chinesische Importe, 10 Prozent für den Rest der Welt. Das sind alles keine Sachen, die mit der WTO abgestimmt sind, sondern das sind halt unilaterale Entscheidungen."

Für Unternehmen hat der Strategieberater unterschiedliche Ratschläge, wie sie mit dieser Entwicklung umgehen sollten. Amerikanischen und europäischen Firmen empfiehlt der gebürtige Österreicher sicherzustellen, dass sie von der Industriepolitik, die ihre Regierungen machen, zu profitieren versuchen. So seien etwa in den USA erst 40 Prozent des IRA-Budgets für Steuergutschriften und Investitionsförderungen genutzt worden. Auch in Europa werde ein großer Teil der Industriepolitik-Budgets nicht genützt. Westliche Unternehmen sollten sich in der nun multipolaren Welt in Form von "fragmented organizations" aufstellen - was zum Beispiel bedeuten könnte, ein eigenes Unternehmen in China zu haben, das relativ unabhängig vom Unternehmen in Europa agiert. Auf staatlicher Ebene müsse man die EU weiter stärken.

NeueFabrik in Ungarn für China-Autos

Für viele chinesische oder indische Unternehmen könnte der Schritt aus dem Heimatmarkt heraus in andere Märkte eine große Rolle spielen. Um Zölle zu umgehen, baue etwa der chinesische Elektroauto-Produzent BYD eine Fabrik in Ungarn auf, mit einer Kapazität von 300.000 bis 400.000 Autos.

"Indien ist ein Land, von dem wir noch sehr viel hören werden", glaubt Lang. "Während in China das Bruttonationalprodukt irgendwann einmal bei zwei bis drei Prozent Wachstum sein wird, erwarte ich in der Dekade in Indien ein Wachstum zwischen sechs und acht Prozent." Die BRICS-Länder seien insgesamt eine Größe, die man berücksichtigen müsse. "Ich glaube, dass BRICS im Moment ein klares Zeichen dafür ist, dass der globale Süden versucht, sich zu koordinieren." Allerdings würden den BRICS noch viele institutionelle Strukturen fehlen, wie es sie in der EU und anderen Organisationen gebe.

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