Die Türkei dringt trotz schwerer Vorbehalte ihrer westlichen Partner immer energischer auf Energiegeschäfte mit Teheran. Der Iran - nach Russland das Land mit den zweitgrößten bekannten Gasvorkommen der Welt - soll in der geplanten Nabucco-Pipeline Gas über die Türkei bis nach Europa liefern können.
Ankara will in den kommenden Jahren Milliarden in die iranische Energieinfrastruktur investieren, wurde am Rande eines Iran-Besuchs von Ministerpräsident Recep Tayyip Erodgan berichtet. Inzwischen laufen aber auch bereits Gespräche mit europäischen Energieunternehmen, erklärte ein ranghoher iranischer Gasmanager am Wochenende.
Im Juli hatten 5 Staaten und die EU mit einem Festakt in Ankara das politische Fundament für den Bau der Nabucco-Pipeline gelegt. An Russland vorbei soll in der 3.300 km langen Röhre Gas bis nach Österreich gepumpt werden. Aus Aserbaidschan, dem Norden des Irak und Turkmenistan soll der Brennstoff von 2014 an fließen. So will Europa sich unabhängiger von Russland machen.
Der türkische Energieminister Ahmet Yildiz sagt, er habe in den vergangenen Wochen Besuche in mehreren europäischen Ländern gemacht, um Möglichkeiten für Gaslieferungen aus dem Iran zu erkunden. "Es ist eine Beziehung zwischen Lieferant und Kunden. Wir finden die Kunden und planen unsere Investitionen entsprechend", sagte Yildiz zu dem politisch hochbrisanten Geschäft. Ihm sei auch klar, dass dieses Projekt erst auf mittlere Frist realisiert werden könne. "Wir nehmen Ratschläge entgegen, treffen unsere Entscheidungen aber selbst", sagte Yildiz.
Die USA haben solche Energiegeschäfte mit dem Iran wiederholt abgelehnt. Als die österreichische OMV im vergangenen Jahr Gaslieferungen plante und im April 2008 eine Absichtserklärung unterschrieben wurde, kamen Warnungen aus den USA. Als die Schweiz ein Abkommen unterzeichnete, schaltete die jüdische Antidiffamierungsliga (ADL) eine Anzeigenkampagne. Tenor: Gasgeschäfte mit dem Iran unterstützen den Terror.
Erdogan fühlt sich unangreifbar und bezeichnete die im Atomstreit verhängten Sanktionen gegen den Iran erst am Wochenende wieder als arrogant. Er regiert das einzige NATO-Land mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit. Ankara hat ausgezeichnete Beziehungen mit den USA und der islamischen Welt. Dazu kommt eine Lage zwischen Ost und West, die Erdogan nutzen will, um die Türkei zu einem Drehkreuz für Energiegeschäfte zu machen.
Trotz der bisherigen Zusagen bleibt aber die Frage, ob sich genug Brennstoff für die Auslastung der Nabucco-Leitung auftreiben lässt. Ohne den Iran könne die EU das Projekt nicht umsetzen, sagte der iranische Gasmanager Resa Kaseisadeh am Samstag der iranischen Nachrichtenagentur Mehr. Laufende Gespräche mit europäischen Energieunternehmen seien aber noch inoffizieller Art.
Auch der frühere deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder hält die Nabucco-Pipeline nur mit Ressourcen aus dem Iran für machbar. Bisher gebe es ausreichend Gas für die geplanten Leitungen Nord Stream und South Stream, nicht aber für Nabucco, sagte Schröder im September in Moskau. Alle drei Vorhaben hätten ihre Berechtigung, weil Europa immer mehr Gas benötige. Allerdings müsse die EU ihre politischen Differenzen mit dem Iran überwinden, um eine Vereinbarung über Gaslieferungen zu treffen.