Von Subprime-Krediten zum "Schwarzen Montag"
07.09.2009
Die Krise begann nicht am 15. September 2008 mit der Pleite von Lehman Brothers. Sie war schon lange davor gegenwärtig, doch schien sie damals als "Subprime"- und "Finanzmarkt"-Krise auf den Immobilien- und Finanzsektor beschränkt zu sein. Die Internetblase (Dot-Com-Boom) war zur Jahrtausendwende geplatzt und hatte die Investoren in dem neuen aufstrebenden Sektor hart getroffen.
Riesige Vermögen gingen verloren, weil die Erwartungen in die "New Economy" viel zu hoch waren und die Hoffnungen der Kapitalgeber nicht erfüllt werden konnten. Wohl auch in Folge des Misstrauens in unsichere High-Tech-Entwicklungen wandte sich das Kapital dem Immobilien-Sektor zu.
Die US-Notenbank senkte die Leitzinsen, um die Wirtschaft anzukurbeln, Geld wurde immer billiger und günstige Kredite noch leichter zu haben. "Refinance your loan" (refinanziere deinen Kredit) wurde zum Slogan der frühen ersten Dekade des neuen Jahrtausends.
Der Wunsch vieler Amerikaner nach einem eigenen Haus wurde von der republikanischen Führung im Weißen Haus gefördert. So gaben zahlreiche Banken auch Verbrauchern mit geringer Kreditwürdigkeit und ohne solide finanzielle Basis bereitwillig Kredit. Die Niedrigzins-Politik des früheren Fed-Chefs Alan Greenspan hat bei vielen Marktteilnehmern riskante Spekulationsgeschäfte angeregt und mit dazu beigetragen, eine Blase auf dem Finanz- und Immobilienmarkt zu bilden.
Die Hypothekardarlehen waren zunächst ein tolles Geschäft: Millionen Amerikaner konnten damit endlich ihr eigenes Traumhaus, und oft noch zusätzlich die Einrichtung per Kredit finanzieren. Die Preise am Immobilienmarkt stiegen und stiegen - auch Private versuchten sich als Immobilien-Spekulanten. Die Banker verpackten die Kredite in strukturierte Papiere, verkauften sie weiter und verdienten sich an Bonus-Zahlungen, Prämien und Riesengehältern eine goldene Nase.
Die Finanzinstitute, die Investmentbanken, die Rating-Agenturen - alle setzten auf die Immo-Papiere, die mit tollen Ratings ausgestattet rund um den Globus oft ungeregelt weiterverkauft wurden. Und der damalige US-Präsident George W. Bush konnte den steigenden Anteil der Hausbesitzer in der Bevölkerung als Erfolg seiner Wirtschaftspolitik verkaufen.
Enorme Hypothekardarlehen in den USA
Von 2003 bis 2007 wurden Hypothekardarlehen im Wert von 7 Billionen Dollar in den USA vergeben - mehr als das gesamte Volumen des US-Treasury-Bond Markts. Doch das System funktionierte nur mit Ablaufdatum. Die US-Notenbank zog die Zinsschraube wieder an. Bald konnten viele der neuen Hausbesitzer die Zinsen auf ihre Kredite nicht mehr bezahlen - die Traumhäuser wurden zum Alptraum, dem geplatzten Kredit folgten Obdachlosigkeit und Zwangsversteigerung.
Die aus diesen faulen Krediten gezimmerten Wertpapiere entpuppten sich als "Subprime" und belasteten die Bilanzen: Weltweit mussten Banken und Unternehmen Milliarden abschreiben. Die schlechten Nachrichten kamen Schlag auf Schlag. Primär waren jedoch zunächst die US-Wirtschaft und die weltweit größten Finanzzentren in London und Kontinentaleuropa betroffen.
Die Schocks vom Immobilienmarkt führten zu einer Finanzmarktkrise und einer Kreditklemme. Zuerst die Hypothekenbanken und dann auch andere Finanzinstitute wurden hineingezogen, sie kämpften mit großen Verlusten und konnten immer weniger neue Kredite vergeben.
Im Juni 2007 läuteten die Alarmglocken an der Wall Street: Zwei Hedge-Fonds der New Yorker Investmentbank Bear Stearns kamen ins Straucheln, weil sie in großem Stil in mit Schrott-Immobilien besicherten Papieren engagiert waren. Die Fehlspekulationen am US-Immobilienmarkt zogen weltweit immer mehr Banken in den Sog der Krise, in Deutschland etwa die BayernLB. Im Herbst kam es in Großbritannien zu einem "Bank Run": Besorgte Kunden stürmten die Northern Rock-Filialen, der britische Staat musste die Einlagen garantieren und die Bank wurde verstaatlicht.
Im Herbst 2007 brachen die Gewinne beim US-Finanzkonzern Citigroup stark ein, auch andere große Finanzhäuser kämpften mit Milliardenabschreibungen und Verlusten. Im Jänner 2008 musste der US-Immobilienfinanzierer Countrywide von der Bank of America aufgefangen werden. Ein 150-Mrd.-Dollar schweres Konjunkturprogramm sollte der US-Wirtschaft auf die Beine helfen, doch die Probleme ließen sich nicht eindämmen.
Die Subprime-Krise war schon im Herzen der Wall Street angelangt: Im März 2008 wurde die damals fünftgrößte Investmentbank Bear Stearns gerade noch vor dem Zusammenbruch gerettet. Die Investmentbank hatte sich mit schlecht besicherten Hypotheken kräftig verspekuliert und kam in Liquiditätsprobleme. Auf Druck der Fed wurde Bear Stearns an den Investmentriesen JP Morgan verkauft, die US-Regierung sprang mit Garantien ein.
Die schweren Turbulenzen setzten sich fort: Im Juli 2008 brach die kalifornische Hypothekenbank IndyMac zusammen. Im September übernahm die US-Regierung die Kontrolle bei den Hypothekenriesen Fannie Mae und Freddie Mac. Einige Tage darauf wurde vom Finanzminister der Bush-Regierung, Henry Paulson entschieden, die schwer angeschlagene Investmentbank Lehman Brothers nicht zu retten - der Grundsatz "too big to fail" galt nicht mehr.
Die Folgen waren verheerend: Der Zusammenbruch des traditionsreichen Instituts am 15. September 2008, dem "Schwarzen Montag", sandte Schockwellen rund um den Globus und führte zum tiefsten Absturz seit der Weltwirtschaftskrise 1929.