VW dürfte auf Hauptversammlung am Montag Stimmrechtsmehrheit haben.
Wie wenig der deutsche Maschinenbauer MAN im eigenen Haus künftig zu sagen hat, wird dem stolzen Traditionsunternehmen am kommenden Montag schmerzhaft vor Augen geführt werden. Auf der Hauptversammlung in München wird VW-Patriarch Ferdinand Piech zusammen mit vier Managern aus Wolfsburg in den Aufsichtsrat des Lkw-Bauers einziehen. Auch alle anderen Beschlüsse kann Volkswagen mit seiner Beteiligung von gut 30 Prozent an MAN wohl durchdrücken, denn in den vergangenen Jahren waren bei der Hauptversammlung von MAN meist nur rund 60 Prozent der Anteilseigner anwesend.
Übernahmeangebot
Nach dem Übernahmeangebot von Volkswagen wird der 1758 gegründete Konzern damit einen Vorgeschmack bekommen, wie es sich als VW-Tochter anfühlt, glaubt LBBW-Analyst Frank Biller. "Wer die meisten Stimmen hat, gibt die Strategie vor." Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie eng die Münchner künftig mit der VW-Lkw-Tochter Scania kooperieren - und wie viel von MAN am Ende als eigenständiger Marke übrig bleibt. Für die Münchner ist das ein sensibles Thema: "Wir dürfen niemals die Identität der Marken vermischen", warnte MAN-Chef Georg Pachta-Reyhofen jüngst in einem Interview.
Arbeitsplätze und Standorte
In den vergangenen Wochen ist Piech mit den Münchnern noch vergleichsweise behutsam umgegangen. Alle Arbeitsplätze und Standorte sowie die markenspezifischen Eigenschaften von MAN sollten erhalten bleiben, sicherte er den Arbeitnehmern zu. Doch schon bei der Frage, was markenspezifische Eigenschaften sind, scheiden sich die Geister. Aus Sicht von MAN zählen dazu in jedem Fall die Fahrgastzelle und der Motor. "Gemeinsame Motoren kommen schon deshalb nicht infrage, weil die Lkws von MAN mit Reihenmotoren laufen und die von Scania mit V-Motoren", heißt es bei MAN. Auch von gemeinsamen Standorten mit Scania will in der MAN-Zentrale in München niemand etwas wissen.
Dass Piech sich damit zufriedengibt, glauben Experten nicht. "Motoren sind neben gemeinsamen Plattformen der Bereich, wo es die größten Synergiepotenziale gibt", sagt Equinet-Analyst Tim Schuldt. "Der bisher sanfte Druck von Herrn Piech wird deutlich zunehmen, wenn die Allianz zwischen MAN und Scania nicht so schnell vorankommt wie er sich das vorstellt."
Es bleibt noch Zeit
Derzeit gibt es für Piech jedoch keinen Grund, auf den Tisch zu hauen, schließlich komme die nächste Motorengeneration erst in rund zehn Jahren, sagt Analyst Schuldt. Die Euro-6-Motoren mit moderner Abgastechnik, die ab 2013 Pflicht sind, haben MAN und Scania noch in Eigenregie entwickelt. Größere Synergien, die über den Einkauf und die gemeinsame Produktion vom Komponenten hinausgehen, sind deshalb erst in mehreren Jahren zu erwarten.
Neben den Motoren gibt noch ein zweites heikles Thema, das in den nächsten Jahren Konfliktpotenzial birgt: Die Zukunft der MAN-Sparte Diesel & Turbo. Das Geschäft mit Großmotoren und Aggregaten wirft derzeit hohe Gewinne ab und ist die Keimzelle des Konzerns. "Das ist das Herz von MAN", sagt ein Insider.
Allerdings gibt es Experten zufolge kaum Synergien mit dem Lkw- und Autogeschäft - VW könnte den Bereich bei Bedarf also problemlos abspalten. "Die Sparte wird als 'Cash Cow' vorerst im Konzern bleiben", glaubt Analyst Biller. "Wenn irgendwann im Zuge einer neuen Autokrise finanzielle Not besteht oder ein Unternehmen bereit wäre, einen hohen Preis für Diesel & Turbo zu bezahlen, kann VW sich aber von dem Tafelsilber trennen."
Wie schnell Piech solche Projekte angeht, wird auch davon abhängen, wie viele MAN-Aktionäre ihre Papiere im Rahmen der Übernahmeofferte bis 29. Juni an die Wolfsburger verkaufen. Da der Preis der MAN-Stammaktie zuletzt auf rund 94 Euro fiel und damit einen Euro unter dem Angebotspreis von 95 Euro liegt, gehen beratende Banker davon aus, dass der VW-Anteil von derzeit gut 30 auf 40 bis 50 Prozent steigen könnte - mehr als ursprünglich angenommen. Piech könnte in diesem Fall nach Belieben durchregieren - mit dem Kuschelkurs zwischen Wolfsburg und München wäre es dann vermutlich bald vorbei.