Britischer Wahlkampf dreht sich um die Wirtschaftslage

29.04.2010

Die wirtschaftliche Entwicklung Großbritanniens wird bei den bevorstehenden Unterhauswahlen am kommenden Donnerstag eine zentrale Rolle spielen - und zuvor auch noch bei der dritten und letzten TV-Debatte, die sich die wahlkämpfenden Parteichefs genau eine Woche vor dem Urnengang heute liefern werden. Großbritannien litt länger als andere Industrienationen unter der globalen Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit und Budgetdefizit stehen auf historischen Höchstständen.

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Die britische Arbeitslosenrate stieg seit Beginn des Jahres auf 8 %, 2,5 Mio. Briten sind ohne Job, das ist der höchste Stand seit Ende 1994. Das Budgetdefizit liegt bei 159 Mrd. Pfund (183 Mrd. Euro) oder 11,4 % des BIP. Die Neuverschuldung des Landes wuchs im Haushaltsjahr 2009/2010 auf eine Rekordsumme von rund 153 Mrd. Pfund (176 Mrd. Euro) oder 10,9 % der Wirtschaftsleistung. Insgesamt war Großbritannien nach den aktuellen Zahlen des nationalen Statistikamtes am Ende des Vorjahres mit 950 Mrd. Pfund verschuldet, das sind 68,1 % des BIP.

Das Ergebnis fiel damit allerdings trotzdem immer noch etwas besser aus als befürchtet, auch das BIP stieg im 1. Quartal des Jahres um 0,2 %. Seit Beginn des langsamen, aber doch spürbaren wirtschaftlichen Aufwärtstrends zu Jahresbeginn ging es folgerichtig auch mit der Labour-Partei von Premierminister Gordon Brown in den Umfragen wieder leicht bergauf - bevor sie Mitte April allerdings von dem in den Fernsehdebatten auftrumpfenden Liberaldemokratenchef Nick Clegg praktisch im Alleingang auf den 3. Platz verwiesen wurde, den sie seither nicht mehr loswird.

Labour setzt im Wahlkampf wirtschaftspolitisch vor allem auf Browns einschlägige Erfahrung, der Regierungschef war unter seinem Vorgänger Tony Blair schließlich zehn Jahre lang Finanzminister. Er hat angekündigt, das Defizit in den kommenden vier Jahren mit einem "radikalen und realistischen Plan" zu halbieren und neue Jobs zu schaffen. Wo genau der Rotstift angesetzt wird, hat er bisher noch nicht klar gemacht, im Mittelpunkt sollen aber ein Umbau des öffentlichen Dienstes, das erwartete Wachstum, Sparmaßnahmen - und "faire Steuern" stehen.

Was letzteres genau bedeuten soll, blieb bisher noch im Unklaren. Brown beteuerte zwar, dass die Einkommensteuer nicht erhöht werden soll, eine mögliche Erhöhung der Mehrwertsteuer steht aber unwidersprochen im Raum. Die Absicht der in den Meinungsumfragen deutlich führenden Tories, die massive Staatsverschuldung schneller und einschneidender abzubauen, würde die langsam aus der Rezession herausfindende Wirtschaft wieder abwürgen, heißt es im Labour-Programm. Daher würde eine Labour-Regierung erst mit einem Defizitabbau beginnen, sobald die ökonomische Gesundung erkennbar eingetreten sei.

Die konservativen Tories machen naturgemäß die seit 13 Jahren regierende Labour-Partei für den wirtschaftlichen Niedergang verantwortlich. Sie werfen Brown vor, sich vor harten Einschnitten zu drücken, sind bisher aber auch noch nicht mit vielen Details darüber herausgerückt, wie sie die massive Verschuldung in den Griff bekommen wollen. Im Tory-Programm ist von einem Einfrieren der Beamtengehälter die Rede, Parteichef David Cameron kündigte auch an, im Fall eines Wahlsieges Labour-Pläne zur Erhöhung der Sozialabgaben rückgängig zu machen.

Außerdem soll die Grenze für die Erbschaftssteuer auf 1 Mio. Pfund erhöht werden. Labour-Wirtschaftsminister Peter Mandelson warf Cameron postwendend vor, dafür die Staatsausgaben massiv senken zu müssen, was wieder Kürzungen bei der öffentlichen Grundversorgung bedeuten müsse.

Die Liberaldemokraten versprechen mehr "Gerechtigkeit" in der britischen Gesellschaft, ihr Vier-Stufen-Programm sieht neben Steuererleichterungen für Geringverdiener eine Schulreform und Wirtschaftsreformen vor, die nach der Finanzkrise vor allem auf die Banken abzielen. Die Steuerausfälle bei den Geringverdienern, die Parteichef Clegg bei der Vorstellung des LibDem-Programmes mit rund 17 Mrd. Pfund bezifferte, sollen über Maßnahmen gegen Steuerumgehung, höhere Steuern für die Luftfahrtindustrie und Leistungskürzungen für Reiche finanziert werden.

Sowohl an diesem als auch am nächsten Donnerstag werden die britische Wirtschaft und das Staatsdefizit also im Mittelpunkt des Interesses stehen. Alle Wahlkämpfer versprechen angesichts der prekären Lage den Weg zum wirtschaftspolitischen Heil. Gestritten wird daher nicht nur in der letzten TV-Konfrontation am Donnerstagabend darüber werden, welcher dieser Wege das Land wieder nachhaltig zu sanieren in der Lage ist.

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