Deutsche Industrie mit sattem Auftragsplus
07.07.2009
Das größte Auftragsplus der deutschen Industrie seit fast zwei Jahren hat Hoffnungen auf eine Konjunkturwende verstärkt. Die Firmen sammelten im Mai überraschend 4,4 Prozent mehr Bestellungen ein als im Vormonat, so das deutsche Wirtschaftsministerium. Fachleute hatten im Schnitt nur mit plus 0,5 Prozent gerechnet. Nach monatelangen kräftigen Einbrüchen war dies der dritte Anstieg in Folge.
Impulse kamen wegen der Abwrackprämie auch von der Autoindustrie. Experten gehen davon aus, dass die Wirtschaft ihren Tiefpunkt nun hinter sich hat. "Die Konjunktur bewegt sich langsam wieder in Richtung Normalität", sagte DIHK-Chefvolkswirt Volker Treier.
Vor allem die exportabhängige Industrie hatte im Winterhalbjahr unter der weltweiten Rezession gelitten und Einbrüche bei Aufträgen, Umsätzen und Produktion hinnehmen müssen. Seit März zieht die Nachfrage wieder leicht an. Im Mai kletterte die Zahl der Inlandsbestellungen um 3,9 Prozent. Das Auslandsgeschäft legte um 5,2 Prozent zu, wobei Orders aus den Ländern außerhalb der Nicht-Eurozone mit 8,2 Prozent überdurchschnittlich stiegen. Davon profitierte besonders die Automobilbranche. Positive Signale kämen aber auch aus anderen Sparten, erklärte das Ministerium: "Die Aussichten auf eine breiter angelegte Stabilisierung der Industrieproduktion haben sich damit gefestigt."
Allerdings leidet die einst erfolgsverwöhnte Industrie nach wie vor unter der weltweiten Flaute. Denn das Neugeschäft liegt immer noch 29,4 Prozent unter dem Niveau vor Jahresfrist und rund 40 Prozent unter den Werten zu Boomzeiten Ende 2007.
Erholung im zweiten Halbjahr
Nach den monatelangen Hiobsbotschaften setzen Experten dennoch verstärkt auf eine Erholung im zweiten Halbjahr. "Ich gehe davon aus, dass wir eine Trendwende in der Industriekonjunktur haben", sagte Stefan Mütze von der Helaba. Allerdings werde es in den kommenden Monaten nicht in demselben Tempo bergauf gehen wie im Mai. "Der Weltuntergang ist abgesagt worden, und die Unternehmen fangen an, ihre Lager wieder aufzufüllen", betonte Commerzbanker Ralph Solveen.
Vom Auftragsplus profitierten vor allem Hersteller von Investitionsgütern wie Maschinen und Anlagen. Sie zogen 5,9 Prozent mehr Bestellungen an Land als im April. Konsumgüterproduzenten erhielten 2,6 Prozent mehr Aufträge, Hersteller von Vorleistungsgütern machten ein Plus von 3,0 Prozent. Auch bei kleinen und mittleren Firmen verbesserte sich den dritten Monat in Folge die Stimmung, wie aus dem KfW-Ifo-Mittelstandsbarometer hervorgeht. KfW-Chefvolkswirt Norbert Irsch warnte aber vor zu viel Euphorie. Hoffnungen auf einen "baldigen und durchgreifenden Aufschwung" seien nicht gerechtfertigt. Massive Belastungen der Krise für den Arbeitsmarkt und die Staatsfinanzen stünden noch bevor.
Für Lichtblicke sorgten zudem die Absatzzahlen der Autobauer Daimler und BMW: Beide Premiumhersteller verzeichneten im Juni einen langsameren Rückgang der Nachfrage als noch zu Jahresbeginn. Auch die Stahlindustrie, die mit den schwersten Einbrüchen seit Jahrzehnten kämpft, steigerte ihre Produktion im Juni zum zweiten Mal in Folge.