Nach dramatischen Nachfrage-Einbrüchen rechnet die deutsche Stahlindustrie für das kommende Jahr mit einer Geschäftsbelebung. "Ich erwarte eine leichte Steigerung der Rohstahlproduktion 2010 in Deutschland", sagte der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff. "Es gibt wieder mehr Raum für Zuversicht." Die Lage werde sich im zweiten Halbjahr 2009 verbessern, von einer Normalisierung könne aber noch keine Rede sein.
In diesem Jahr muss die Branche den stärksten Rückgang seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hinnehmen. Kerkhoff schraubte die Prognose für 2009 noch einmal zurück. "Wir erwarten einen Rückgang der Rohstahlproduktion in Deutschland um rund 30 Prozent auf 31 bis 33 Mio. t." Bisher hatte der Verband mit einem Minus von deutlich mehr als 25 Prozent gerechnet. Nach sieben Monaten liegt dies jedoch bereits bei 41 Prozent. Der Ausstoß der Branche mit den deutschen Branchenführern ThyssenKrupp und Salzgitter fällt damit 2009 auf das Niveau der 60er Jahre.
Es sei noch unsicher, wie nachhaltig die Erholung sein werde, sagte Kerkhoff. "Ein selbsttragender Aufschwung ist nicht in Sicht." Die Hersteller profitierten davon, dass die Kunden ihre Lager auffüllten und die Konjunkturprogramme wirkten. Das Auslaufen der Abwrackprämie bereite ihm aber keine Sorge. "Ich habe keine Angst davor, weil ich sehe, dass der Export wieder anspringt."
China als Zugpferd?
Im Juli war die Rohstahlproduktion in Deutschland wie in anderen großen Herstellerländern, darunter Japan, Russland und die USA, trotz weiterer Rückgänge im Vorjahresvergleich auf den höchsten Monatsstand seit Jahresbeginn gestiegen. In China - dem mit Abstand größten Hersteller der Welt - laufen die Hochöfen seit Monaten wieder auf Hochtouren, was der hiesigen Branche bereits Kopfschmerzen bereitet. "Ich hoffe, dass China dazu beiträgt, dass wir stabile Märkte haben", sagte Kerkhoff.
Nach seiner Einschätzung wird die Rohstahlproduktion in Deutschland trotz erwarteter Zuwächse auch 2010 unter 40 Mio. t liegen. "Mittelfristig bin ich optimistisch." Die Branche könne dann durchaus wieder an den Rekordwert von 48,5 Mio. t aus dem Jahr 2007 anknüpfen.
Die Unternehmen hatten ihre Produktion nach dem Beginn der Krise deutlich zurückgefahren und mit dem Abbau Tausender Stellen begonnen. Dabei haben Konzerne wie ThyssenKrupp betriebsbedingte Kündigungen vermieden. "Ich sehe keine Massenkündigungen", sagte auch Kerkhoff. Derzeit seien rund 50 Prozent der 95.000 Stahlbeschäftigten in Kurzarbeit.
Es handle sich derzeit nicht um eine Stahlkrise, sondern um eine Konjunkturkrise. Der Werkstoff werde auch künftig weiter benötigt. Leichte Stähle für die Automobilindustrie, festere für die Windenergie oder hitzebeständigere für Kraftwerke - "all das sind Produkte, die in Deutschland entwickelt wurden".