Europäer sehen in eigenen Ländern breite Armut
27.10.2009
Die überwiegende Mehrheit der Europäer glaubt, dass bei ihnen die Armut "weit verbreitet" ist. 90 % verlangen von ihrer jeweiligen Regierung, rasch dagegen etwas zu unternehmen, so eine neue "Eurobarometer"-Umfrage.
Auch in Österreich, dem achtreichsten Land der Welt, sehen 53 Prozent der Befragten viel soziale Not. Im EU-Schnitt sind es 73 Prozent, in Ungarn, Bulgarien und Rumänien sprechen mehr als 90 % von grassierender Bedürftigkeit. Dagegen sehen nur 31 % der Dänen in ihrem Land viele Arme.
Die Umfrage spiegelt die Wahrnehmung der Europäer wider und hat nicht unbedingt etwas mit den von den nationalen Regierungen definierten Armutsniveaus zu tun, hieß es dazu von einer Mitarbeiterin von EU-Sozialkommissar Vladimir Spidla.
Für die Einzelstaaten gelten üblicherweise jene Personen als arm, die in einem Haushalt leben, der weniger als 60 % des sogenannten Medianeinkommens einnimmt. Im europäischen Schnitt sind das 16 %. In Österreich sind es "nur" 12 %. Österreichische Haushalte mit diesem Einkommen haben weniger als 912 Euro verfügbares Einkommen, von dem sie alle ihre Ausgaben (inklusive Miete etc.) bestreiten müssen.
2010 unter Motto "Kampf gegen Armut"
Die EU hat die Umfrage in Auftrag gegeben, um auf das Jahr 2010 vorzubereiten, das die EU unter das Motto des Kampfes gegen die Armut stellt. Sie kann dabei nicht direkt tätig werden, weil die Sozialagenden hauptsächlich in den Händen der Nationalstaaten liegen.
Laut dem nun vorgelegten "Eurobarometer" machen die EU-Bürger für den Kampf gegen die Armut mit großem Abstand auch die nationale Regierung verantwortlich (53 %). Der EU billigen die Befragten mit 74 % abstrakt eine "wichtige Rolle" zu.
Der aktuelle Eurobarometer sondiert auch, welcher Prozentsatz der Befragten für sich persönlich die Gefahr sieht, in die Armut hineinzurutschen. Hier klaffen die Werte deutlich auseinander - im Schnitt der EU-27 geben 30 % der Haushalte an, mit dem vorhandenen Einkommen "leicht" auszukommen, weitere 56 % sagen, ihren Lebensunterhalt "mittelmäßig" bestreiten zu können.
12 % geben an, sie könnten nur schwer ihr Auslangen finden. In Österreich kommen gemäß "Eurobarometer"-Daten sechs Prozent nur mit Schwierigkeiten durch. Die Alpenrepublik liegt damit hinter den skandinavischen Ländern in der Gruppe der wohlhabenderen Westeuropäer.
Probleme in Ost- und Südosteuropa
Viele Haushalte, die jedes Monat darum kämpfen müssen, über die Runden zu kommen, gibt es dagegen in Ost- und Südosteuropa (Bulgarien: 40 %, Griechenland: 35 %, Ungarn: 34 %). Wenig überraschend geht aus der Umfrage auch hervor, dass finanziell bessergestellte Haushalte auch zufriedener mit ihrer Gesundheit und ihrem Familienleben sind.
Zu den Menschen, die am stärksten von Armut gefährdet sind, werden hauptsächlich Arbeitslose (56 %), Ältere (41 %ent) und beruflich wenig Qualifizierte gezählt. Als die wichtigsten persönlichen Faktoren, die erklären, warum jemand arm ist, werden die mangelnde Ausbildung (37 %), das Aufwachsen in einer armen Familie (25 %) und Alkohol- bzw. Drogenabhängigkeit (23 %) genannt. Ein Fünftel der Befragten glaubt, dass manche auch "über ihre Verhältnisse" leben. Für den "Eurobarometer" wurden zwischen 28. August und 17. September 27.000 Menschen in allen Mitgliedsstaaten interviewt.