Nach den jüngsten positiven Konjunkturdaten wird die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins im Euroraum am 3.9. voraussichtlich nicht weiter senken. Aufgrund der anhaltend niedrigen Inflationsraten und Zweifeln im EZB-Rat an der Nachhaltigkeit der Aufwärtsbewegung steht vorerst jedoch auch keine Zinserhöhung an.
Volkswirte rechnen damit, dass der Satz für das Hauptrefinanzierungsgeschäft von derzeit historisch niedrigen 1,0 Prozent erst im vierten Quartal 2010 wieder angehoben werden dürfte. Mit Spannung werden die neuen Prognosen der Zentralbank zu Wachstum und Inflation erwartet.
Allgemein rechnen Volkswirte mit einer Erhöhung der Wachstumsprognosen für das laufende und das kommende Jahr. Commerzbank-Volkswirt Michael Schubert prognostiziert, dass die EZB-Experten ihre Wachstumsprojektionen für 2009 und 2010 um jeweils 0,75 Prozentpunkte nach oben revidieren.
Im Juni hatte die EZB für das laufende Jahr einen Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) in der Euro-Zone zwischen 5,1 und 4,1 Prozent (Mittelwert: minus 4,6 Prozent) vorhergesagt. Für 2010 prognostizierten die Experten der Notenbank beim BIP eine Bandbreite von minus 1,0 Prozent bis plus 0,4 Prozent.
Inflationsprognosen bleiben unverändert
Die Inflationsprognosen der EZB dürften nach Einschätzung der Citigroup unverändert bleiben. Das Bankhaus HSBC Trinkaus rechnet hingegen mit einer leichten Anhebung des Inflationsausblicks für 2010. Die Notenbank sagte zuletzt für 2009 Werte zwischen 0,1 und 0,5 Prozent (Mittelwert: 0,3 Prozent) voraus. Für 2010 erwarteten die Experten Teuerungsraten zwischen 0,6 bis 1,4 Prozent (Mittelwert: 1,0 Prozent).
Die EZB sieht Preisstabilität bei Inflationsraten unter, aber nahe bei 2,0 Prozent als gegeben. Die zeitweise negativen Jahresraten in diesem Sommer sind nach Überzeugung der EZB aber nur vorübergehend. Sie seien vor allem den hohen Energiepreisen Mitte 2008 geschuldet.
Als weiteren Höhepunkt der EZB-Pressekonferenz sehen Volkswirte mögliche Aussagen zum zweiten Jahrestender an, der Ende September ansteht. Nachdem die Geschäftsbanken beim ersten Jahrestender im Juni sehr großzügig mit Liquidität versorgt wurden, wird am Markt eine Begrenzung des September-Geschäfts diskutiert. So wird entweder ein Aufschlag zum Leitzins oder eine mengenmäßige Begrenzung in der Zuteilung als nicht vollends unwahrscheinlich erachtet.
Volkswirte halten jedoch keine dieser Optionen für realistisch. Die EZB würde damit eine Änderung ihrer Geldpolitik signalisieren, heißt es bei der Commerzbank. Da die Notenbank ein derartiges Signal gegenwärtig wohl nicht senden wolle, sei eine volle Zuteilung zum Leitzins am wahrscheinlichsten.