Hahn wird EU-Kommissar für Regionalpolitik

27.11.2009

Der von Österreich nominierte bisherige Wissenschaftsminister Johannes Hahn übernimmt die EU-Regionalpolitik. Damit hat Österreich eine Überraschung an Land gezogen. Das Portfolio ist nach Budgetmitteln hinter der Landwirtschaft der zweitgrößte Posten in der EU: Hahn verwaltet künftig ein Budget von 337 Mrd. Euro von 2007 bis 2013. Das entspricht etwa 36 % des gesamten EU-Mehrjahreshaushalts.

Zur Vollversion des Artikels
Zur Vollversion des Artikels

Zu den wichtigsten Empfängerländern gehören die strukturschwachen neuen EU-Staaten in Mittel- und Osteuropa. Gerade in Zeiten der Krise sind die Strukturfonds ein wichtiges Instrument der EU, um Beschäftigung und Wachstum zu schaffen.

Mit den EU-Strukturmitteln werden nicht nur mehrere zig-tausende Kilometer an neuen Autobahnen finanziert, auch die Bereitstellung von Risikokapital an kleine und mittlere Unternehmen, Umwelt- und Energieprojekte, der Ausbau des Tourismus und Stadtentwicklungsprogramme werden aus diesem Topf von der EU mitfinanziert, in der Regel mit Co-Finanzierung der Staaten. Experten zufolge hat die EU-Regionalpolitik seit 2000 zur Schaffung von etwa 600.000 Arbeitsplätzen in der EU beigetragen.

Für den Österreicher Hahn dürfte bei der Entscheidung Barrosos auch eine Rolle gespielt haben, dass Österreich traditionell gute Beziehungen zu den osteuropäischen Staaten aufweist und als "ehrlicher Makler" in dieser Frage gilt.

1,46 Mrd. Euro aus dem EU-Regionaltopf für 2007 bis 2013 gehen laut Schätzungen übrigens nach Österreich. Das ehemals strukturschwache Ziel-1-Gebiet Burgenland sowie die Steiermark und Niederösterreich sind in Österreich Spitzenreiter bei der EU-Regionalförderung. Projekte in Güssing zur Förderung erneuerbarer Energien im Ausmaß von über 47 Mio. Euro gelten als "Musterbeispiele" in Österreich.

Hahn übernimmt den Posten von dem erst seit Juni amtierenden polnischen EU-Kommissar für Regionalpolitik, Pawel Samecki. Beim Beschluss des EU-Finanzrahmens 2005 konnten die mittel- und osteuropäischen EU-Staaten eine leichtere Abrufung der Mittel durchsetzen. Allerdings hat auch der EU-Rechnungshof immer wieder das Versickern von EU-Strukturgeldern in dunklen Kanälen bemängelt. Mindestens elf Prozent des Gesamterstattungsbetrags von 24,8 Milliarden Euro hätten im Jahr 2008 nach Einschätzung der Rechnungsprüfer nicht wegen Unregelmäßigkeiten ausgezahlt werden dürfen.

Ziele der EU-Regionalpolitik sind der Zusammenhalt (Konvergenz) innerhalb der EU, die Wettbewerbsfähigkeit, die Beschäftigung und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Vom Kommissar für Regionalpolitik wird auch der "Solidaritätsfonds" verwaltet, den EU-Staaten bei Naturkatastrophen in Anspruch nehmen können. Nach den Überschwemmungen im Jahr 2002 hat Österreich selbst 134 Mio. Euro an Unterstützung aus dem EU-Fonds erhalten.

Topjobs für Almunia, Rehn, Barnier

Der Spanier Joaquin Almunia übernimmt mit dem Wettbewerbsportfolio ein wichtiges Ressort, der Franzose Michel Barnier bekommt die Zuständigkeit für Binnenmarkt inklusive die Finanzdienstleistungen, wie Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso offiziell ankündigte. Der Finne Olli Rehn ist künftig für Wirtschaft und Währung zuständig. Die Dänin Connie Hedegaard besetzt den neu geschaffenen Posten für Klimaschutz.

Barroso verteidigt Job-Rotation

EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso hat am Freitag seine Entscheidung, zwar 13 Kommissare zu behalten, aber ihre Rotation in ein neues Ressort vorzunehmen, verteidigt. "Wenn jemand eventuell zehn Jahre einem Ressort vorsteht, ist das nicht gut und könnte langweilig werden", sagte der Kommissionspräsident bei der Vorstellung seines neuen Teams. Dies gelte freilich nicht für den Kommissionspräsidenten, denn bei der Übersicht über 26 Kommissare könne es nicht langweilig werden.

Für die Auswahl der Personen übernehme er die "volle Verantwortung". Auf die Journalistenfrage, ob er politischen Interventionen ausgesetzt gewesen sei, antwortete der Kommissionspräsident ausweichend, es gebe "natürlich immer Anfragen und einen Dialog". "Die Entscheidung war aber ausschließlich meine."

Das Agrarressort fällt an Dacian Ciolos, der aus einem neuen EU-Mitgliedsland, dem stark agrarisch geprägten Rumänien, kommt. Barroso meinte auf die Frage, warum ausgerechnet dieses Ressort an Rumänien gehe: "Ciolos war die kompetenteste Person, die sich angeboten hat." Jemandem aufgrund seiner Nationalität den Zugang zu einem bestimmten Job in der EU zu verwehren, stehe in fundamentalem Widerspruch zu deren Grundwerten.

Zum neuen Klima-Ressort, das die Dänin Connie Hedegaard bekleiden wird, sagte der alte und neue Kommissionspräsident, dies werde ein Job, der sich über die Bereiche praktisch aller anderen Kommissionsteile erstrecken werde. Das Klima-Ressort wird in den nächsten Jahren von den Agenden des Umweltkommissars abgetrennt.

Der neue Kommissar für den Binnenmarkt, Michel Barnier, wird neuerdings auch für Finanzdienstleistungen zuständig werden. Dies sei notwendig, um den noch nicht kompletten Binnenmarkt zu vervollständigen bzw. zu vertiefen, sagte Barroso.

Die gesamte EU-Kommission muss noch im Jänner vom EU-Parlament bestätigt werden, ehe sie ihr Amt voraussichtlich im Februar antritt. Er hofft, dass das Parlament sein Team akzeptiere, sagte Barroso. Barroso bezeichnete das neue Kommissionsteam in Brüssel als eine "gute Mischung". Es handle sich um ein "perfektes Team aus Erfahrung und Neuem". Barroso verwies auch darauf, dass 13 Kommissare wieder im Amt seien.

Insgesamt gibt es 9 Kommissarinnen. Drei von ihnen sind auch als Vizepräsidentinnen der neuen Kommission nominiert worden. Barroso zeige sich zuversichtlich, die "richtigen Kandidaten" ausgewählt zu haben. Bei seiner Auswahl habe eine entscheidende Rolle gespielt, Europa auf eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung vorzubereiten und die EU auf den Weg einer "grünen, sozialen Marktwirtschaft" zu bringen.

DIE NEUE KOMMISSION

Portugal: Jose Manuel Barroso - EU-Kommissionspräsident
Großbritannien: Catherine Ashton - Hohe Vertreterin für die EU-Außenpolitik
ÖSTERREICH: Johannes Hahn - Regionalpolitik
Deutschland: Günther Oettinger - Energie
Frankreich: Michel Barnier - Binnenmarkt und Dienstleistungen
Italien: Antonio Tajani - Industrie und Unternehmen
Ungarn: Laszlo Andor - Soziales
Finnland: Olli Rehn - Wirtschaft und Währung
Estland: Siim Kallas - Transport, Vizepräsident
Belgien: Karel De Gucht - Außenhandel
Tschechien: Stefan Füle - Erweiterung und Nachbarschaftspolitik
Rumänien: Dacian Ciolos - Landwirtschaft
Slowenien: Janez Potocnik - Umwelt
Slowakei: Maros Sefcovic - Verwaltung, Beziehung zu EU-Institutionen
Litauen: Algirdas Semeta - Steuer, Zollangelegenheiten, Betrugsbekämpfung
Lettland: Andris Piebalgs - Entwicklungshilfe
Luxemburg: Viviane Reding - Justiz und Grundrechte
Zypern: Androulla Vassiliou - Kultur, Mehrsprachigkeit und Jugend
Bulgarien: Rumiana Jelewa - Humanitäre Hilfe, Krisenschutz
Irland: Maire Geoghegan-Quinn - Forschung und Innovation
Schweden: Cecilia Malmström - Inneres
Polen: Janusz Lewandowski - Budget und Finanzplanung
Griechenland: Maria Damanaki - Fischerei und maritime Angelegenheiten
Dänemark: Connie Hedegaard - Klimaschutz
Niederlande: Neelie Kroes - Digitale Agenda
Malta: John Dalli - Gesundheit und Konsumentenschutz
Spanien: Joaquin Almunia - Wettbewerb

Zur Vollversion des Artikels