Roland Berger: Osteuropa verliert an Bedeutung
26.11.2009
Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs sind nach Berechnungen des Consulters Roland Berger insgesamt 580 Mrd. Euro nach Mittel- und Osteuropa (CEE) geflossen, 60 % davon nach Russland, Polen und Tschechien. Dennoch konnte die Region in den vergangenen 2 Jahrzehnten gegenüber Westeuropa wirtschaftlich kaum aufholen. Bis 2020 wird Osteuropa diesen Abstand nicht verringern, meinte Vladimir Preveden, Südosteuropa-Experte bei Roland Berger.
Preveden rechnet damit, dass die Region wirtschaftlich in diesem Zeitraum an Bedeutung verlieren werde. Kleinere Staaten würden zunehmend als Subregion gesehen, etwa Slowenien, Tschechien, die Slowakei und Ungarn als Zentraleuropa. Sie würden sich auch in Zukunft deutlich unterschiedlich entwicklen.
Bisher konnte Polen am meisten von der Ostöffnung profitieren: Ende 2008 erwirtschaftete das Land 177 % des BIP aus 1989. Damit entwickelte sich das knapp 40 Mio. Einwohner zählende Land besser als Österreich (158 %) und die Slowakei (157 %). Andererseits haben Serbien und die Ukraine heute sogar eine deutlich geringere Wirtschaftskraft als vor 20 Jahren.
Mit dem BIP-Zuwachs in den meisten Ländern ging jedoch auch ein deutlicher Verlust an sozialer Sicherheit einher. Die Arbeitslosigkeit stieg von nahezu Null in kommunistischen Zeiten 1995 auf über 10 %. 2008 sank die Arbeitslosenrate auf durchschnittlich 8,4 %. Aufgrund der Wirtschaftskrise sind aber auch in Osteuropa die Arbeitslosenzahlen teilweise deutlich im Ansteigen. Außerdem werde die Region immer stärker mit einer fortschreitenden Überalterung der Gesellschaft und Abwanderung konfrontiert, so Preveden.
Darüber hinaus wird sich Osteuropa auch künftig von der Abhängigkeit ausländischer Investitionen und internationaler Institutionen nicht lösen. Obwohl die Staatsverschuldung im Vergleich zu Westeuropa relativ niedrig sei, ist die gesamte Auslandsverschuldung gemessen am BIP deutlich im Steigen. Strukturreformen würden auch in Zukunft nur auf Druck der EU und des IWF erfolgen, glaubt der Roland-Berger-Experte. Nach seiner Ansicht wird Russland als Investor mit Fokus auf den Energiebereich im CEE-Raum, aber auch in Westeuropa eine größere Rolle spielen.
Für Ulrich Schmidt, Geschäftsführer der Beiersdorf CEE Holding, hat die Finanzkrise offengelegt, wie stark die Abhängigkeit Osteuropas vom Westen ist. "Ich bin froh, dass die Blase geplatzt ist", so Schmidt, der damit unter anderem auf die teilweise hohen Immobilienpreise und knapp werdenden Arbeitskräfte in einigen Ballungsräumen der Region anspielte.
mobilkom-Austria-Finanzvorstand Dino Dogan betonte, dass man vor der Krise "sehr erfolgreich war" und nun noch immer "erfolgreich ist". "Wir jammern auf hohem Niveau." Dass der Ost-Boom eine Erfolgsgeschichte sei, könne man an der vor rund 10 Jahren getätigten Greenfield-Investition, der Gründung der mobilkom-Tochter VIPnet, in Kroatien sehen. Rund 800 Mio. Euro wurden für Investitionen aufgewendet. Heute arbeiten rund 1.100 Mitarbeiter in Kroatien, die einen wesentlichen Beitrag für die Wertschöpfung im Land und auch für die mobilkom Gewinne erwirtschaften.