"Abschreckende Sanktionen"
Steueroasen: EU will hart durchgreifen
14.11.2017Europaabgeordnete werfen auch den EU-Staaten Versäumnisse vor.
Als Konsequenz aus den Enthüllungen der "Paradise Papers" über weltweite Steuerparadiese hat der zuständige EU-Kommissar Pierre Moscovici (Bild) "abschreckende Sanktionen" gegen Länder gefordert, die sich einer Zusammenarbeit mit den Finanzbehörden der EU-Staaten verweigern.
"Es ist kein Geheimnis - nur wenn wir auf den Geldbeutel zielen, werden wir die Dinge in Bewegung bringen", sagte der Franzose am Dienstag vor dem Europaparlament in Straßburg. Sprecher mehrerer Fraktionen warfen den EU-Staaten Versäumnisse beim Kampf gegen Steuerflucht vor.
Moscovici forderte die Mitgliedsländer der EU auf, nun rasch zu handeln. Die Finanzminister müssten bereits bei ihrem nächsten Treffen am 5. Dezember eine schwarze Liste der nicht kooperativen Steueroasen veröffentlichen. Diese Liste müsse "glaubwürdig und ehrgeizig" sein und Sanktionen vorsehen. Ziel sei es, die "Kultur des Geheimnisses zu beenden" und für mehr Steuertransparenz zu sorgen, sagte Moscovici. Die Steueroasen seien "ein bisschen wie Vampire - sie fürchten nichts so sehr wie das Licht".
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Notwendig seien neue Transparenzregeln für Steuerberater, Anwälte und Banken, die Programme zur Steuervermeidung verkaufen, betonte der Kommissar. Sie müssten verpflichtet werden, diese Programme den Finanzbehörden des betroffenen Landes offenzulegen. Wenn die Programme nicht rechtmäßig seien, könnten die Behörden Ermittlungen einleiten. Wenn die Programme legal seien, könnten etwaige Gesetzeslücken geschlossen werden.
Mehrere Abgeordnete prangerten Missstände auch innerhalb der EU an. Auch hier gebe es Steueroasen, etwa die Niederlande, Malta und Luxemburg, betonte der CDU-Abgeordnete Bernd Langen. Eine schwarze Liste von nicht kooperativen Drittländern reiche daher nicht aus. "Wir müssen in der EU Ordnung schaffen." Notwendig sei ein Paradigmenwechsel: Statt der bisherigen Doppelbesteuerungsabkommen müssten Mindeststeuerabkommen geschlossen werden.
Die Enthüllungen der "Paradise Papers" seien nicht wirklich eine Überraschung, sagte der Chef der sozialdemokratischen Fraktion, Gianni Pittella. Sie zeigten den "alten Krebs unserer Gesellschaft - Betrug, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung".
Der SPD-Politiker Udo Bullmann forderte, das "Schweigekartell der Unternehmen, der Superreichen und der Finanzbehörden" zu brechen. Dieser Kampf müsse europaweit geführt werden. Der Finanzexperte der Grünen, Sven Giegold, forderte das Parlament auf, "seine Machtmittel zu nutzen" und die Mitgliedstaaten unter Druck zu setzen. Der Rat der EU-Staaten bremse weiter, wie sich bei den gegenwärtigen Verhandlungen um die neue Geldwäsche-Richtlinie zeige.
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Die EU-Finanzminister hatten vergangene Woche zwar beschlossen, Steuerparadiese auf eine schwarze Liste zu setzen. Geplant ist aber nur eine Liste von Drittstaaten, die beim Kampf gegen Steuervermeidung nicht mit den Finanzbehörden der EU zusammenarbeiten wollen.
Über die Frage, ob diesen Ländern konkrete Sanktionen angedroht werden sollen, sind sich die EU-Staaten nicht einig. Frankreich etwa fordert, nicht kooperativen Ländern Finanzhilfen des Internationalen Währungsfonds (IWF) oder der Weltbank zu streichen. Gegen solche Strafmaßnahmen gibt es aber innerhalb der EU Widerstand - etwa von Ländern wie Luxemburg, Malta oder Irland, die selbst mit niedrigen Steuern Unternehmen anlocken.
Durch Steuertricks internationaler Konzerne wie Apple oder Nike gehen den EU-Staaten jährlich rund 60 Milliarden Euro verloren, wie der französische Wirtschaftswissenschaftler Gabriel Zucman für die "Süddeutsche Zeitung" errechnet hat. Deutschland verliert demnach durch die Nutzung von Steueroasen am meisten - rund 17 Mrd. Euro jährlich.
Anfang November hatten Medien in mehreren Staaten, in Deutschland unter anderen die "Süddeutsche Zeitung", über Steuervermeidungspraktiken durch Politiker, Konzerne, Prominente und Superreiche aus aller Welt berichtet. Sie stützten sich dabei auf Millionen von Dokumenten, die ihnen zugespielt und von einem internationalen Journalisten-Netzwerk ausgewertet wurden.