Türkischer EU-Minister fürchtet Ö-Referendum nicht
25.01.2010
Ankara hat vor einer möglichen Volksabstimmung in Österreich über einen EU-Beitritt der Türkei keine Angst. "Ich fürchte mich nicht", sagte der türkische Europaminister und EU-Chefverhandler Egemen Bagis. "Im Gegenteil: ich begrüße die Herausforderung, ein Referendum hier in Österreich zu sehen."
Egemen Bagis, der wegen des Hofburg-Balls mit dem diesjährigen Motto "Istanbul - Europäische Kulturhauptstadt 2010" in Wien weilte, erläuterte: Wenn es in Österreich zu einem Referendum komme, werde die Türkei alle Verhandlungskapitel abgeschlossen haben. "Die Türkei wird dann ein sehr anderes Land sein, und auch die Union wird eine sehr andere sein." Wenn die Verhandlungen abgeschlossen seien, werde sich viel wandeln: "Ich glaube, dann werden die Österreicher versuchen, die öffentliche Meinung in der Türkei davon zu überzeugen, für die EU zu stimmen."
"Die Kosten, die Türkei nicht in der EU zu haben sind viel höher, als die Kosten, die Türkei in der EU zu haben - für Österreich und für alle EU-Mitgliedsländer", so Bagis. Derzeit fokussiere die Türkei auf die Verhandlungen. "Der Prozess der Verhandlungen ist wichtiger als das Endresultat, weil es Europa hilft, einen sehr stabilen und starken Alliierten zu gewinnen. Es hilft auch uns, das Land in ein demokratischeres, florierenderes, stabiles Land zu verändern. Das ist eine Win-Win-Situation", betonte Bagis.
EU-Beitritt als Ziel
Ziel der Verhandlungen könne aber einzig der EU-Beitritt sein. Eine privilegierte Partnerschaft lehnt Bagis vehement ab. Weder die österreichische noch die deutsche oder die französische Regierung hätten in den vergangenen sechs Monaten von privilegierter Partnerschaft gesprochen, meinte er. "Sie haben die Verwendung von Phrasen wie diese beendet." Denn: die Türkei finde diesen Begriff beleidigend. Diese Option existiere nicht.
Beitrittstermin wollte er keinen nennen. Als Zieldatum für die Übernahme des europäischen Regelwerks erwähnte Bagis 2013 - dann hänge es vom politischen Willen ab. Vom neuen EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy erwartet Bagis jedenfalls keinen Widerstand. Obwohl dieser früher, als belgischer Oppositionspolitiker, erklärt hatte, die Türkei werde niemals EU-Mitglied, ist der türkische Minister von einer Meinungsänderung Van Rompuys überzeugt.
Zur EU-Forderung, türkische Häfen und Flughäfen für zypriotische Schiffe und Flugzeuge zu öffnen, sagte Bagis: "Ja, wir würden das gern tun." Bedingung sei allerdings, dass die EU ihr Versprechen von 2004 einhalte und direkte Handelsbeziehungen zu Nordzypern aufnehme. Die Türkei verlange keine Anerkennung der nur von Ankara anerkannten "Türkischen Republik Nordzypern". Sie akzeptiere aber nicht, dass die Lösung der Zypern-Frage, die für Zypern keine Voraussetzung war, jetzt zur Vorbedingung für den Beitritt der Türkei gemacht werde. Zypern sei 2004 aufgenommen worden, ohne seine Grenz- und Souveränitätsprobleme zu lösen.
In puncto Medienfreiheit sieht Bagis in seinem Land durchaus Verbesserungspotenzial. Den Fall Dogan zählt er aber nicht dazu. Die milliardenhohe Strafe gegen den regierungskritischen Medienunternehmer Aydin Dogan "hat nichts mit Politik zu tun, sondern damit, dass man seine Steuern bezahlen muss."
Anders scheint die Sache im Bereich Internet, wo die OSZE kritisiert, dass die Türkei 3700 Homepages blockiere. Bagis dazu: "Aufgrund einer sehr dummen Entscheidung eines unabhängigen Gerichts" sei etwa das Videoportal YouTube gesperrt. "Ich bin nicht stolz darauf, ich schäme mich dafür. Aber mein 10 Jahre alter Sohn geht über eine legale Website täglich auf YouTube." Dennoch: "Die Mentalität, Websites zu blockieren, ist die Mentalität der Vergangenheit und ich arbeite hart daran, als EU-Chefverhandler, dies zu ändern."