Kurseinbruch in Nahost
Weltweite Panik nach US-Herabstufung
07.08.2011
Telefon-Sonderkonferenz der G-20, Videokonferenz der EZB um 18 Uhr.
Die Angst vor einem Börsencrash und unabsehbaren Folgen für die Weltwirtschaft hat am Wochenende die Spitzenpolitiker aus den führenden Industriestaaten und Schwellenländern zum Handeln getrieben. Neben zahlreichen Telefonkonferenzen der G-7 und der G-20 wegen der US-Schuldenkrise richteten sich die europäischen Hoffnungen am Sonntag vor allem auf die Europäische Zentralbank (EZB), die auf dieser Seite des Atlantiks am ehesten zur Beruhigung der übernervösen Investoren beitragen könnte. Der Aufkauf auch von Staatsanleihen des angeschlagenen Italien würde den Anlegern das Signal geben, dass die Euro-Zone ihre Investitionen absichert.
EZB-Chef Jean-Claude Trichet setzte nach Informationen aus dem Umfeld der Euro-Notenbank für den Abend eine Telefonkonferenz des obersten Gremiums an. Verschiedene Quellen sprechen von 18 bzw. 19 Uhr. "Trichet will, dass der Rat eine Entscheidung über den Kauf italienischer Bonds trifft", sagte ein Vertreter. Sollten die Währungshüter den heftig umstrittenen Schritt tun, könnten die EZB und andere Notenbanken der Euro-Zone am Montag mit den Käufen beginnen.
Bisher leisten vor allem der deutsche Bundesbank-Chef Jens Weidmann und andere nordeuropäische Notenbanker massiven Widerstand gegen das Anleihekaufprogramm, mit dem die EZB seit vergangenem Jahr überschuldete Mitglieder wie Griechenland, Portugal und Irland flüssig hält. Die EZB übte zuletzt enormen Druck auf Italien aus, im Gegenzug für eine Aufnahme in das Programm den Schuldenabbau schneller und glaubwürdiger anzugehen.
Die EZB muss nach Einschätzung des CDU-Finanzpolitikers Michael Meister nun in die Bresche springen. Der Ankauf von Staatspapieren sei nur kurzzeitig vertretbar. Der Euro-Gipfel hat zuletzt eine Erweiterung seiner Rettungsschirme vereinbart, die dafür nötigen nationalen Beschlüsse dürften aber noch Monate dauern. Über neue Vorschläge zur Aufstockung des Rettungsschirms ist vor dem Wochenende Wochenende ein neuer Streit entstanden.
In Italien formiert sich bereits die Opposition gegen einen schärferen Sparkurs, wie ihn Ministerpräsident Silvio Berlusconi am Freitagabend unter dem Druck der europäischen Partner ankündigte. "Mit dieser Regierung, mit diesem Sparhaushalt ist kein Sozialpakt möglich", sagte die Chefin der größten Gewerkschaft des Landes, CGIL, Susanna Camusso.
Im Sog der Krise
Mit Italien und Spanien drohen die dritt- und viertgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone in den Schuldenstrudel gerissen zu werden. Beide Staaten müssen ihren Geldgebern inzwischen Rekordzinsen zahlen. Die Unsicherheit über Vorgehen und Kosten bei einer Notrettung der beiden Schwergewichte, die ungelöste Schuldenkrise der USA und wachsende Signale für eine weltweite konjunkturelle Abkühlung lösten in der vergangenen Woche regelrechte Panikverkäufe an den Märkten aus. Die Unternehmen verloren insgesamt 2,5 Billionen Dollar an Börsenwert.
Die arabischen Börsen verbuchten am Wochenende bereits deutliche Kursverluste. Der erste große Markt - Tokio - eröffnet am Montag um 02.00 Uhr MESZ.
Der EZB-Rat wird auch über Maßnahmen beraten, die Kapitalmärkte bei einem massivem Abzug von Geld liquide zu halten, hieß es in den Kreisen weiter. Zum Höhepunkt der Finanzkrise haben die Notenbanken weltweit ihre Schleusen geöffnet, als die internationalen Geldströme wegen des um sich greifenden Misstrauens versiegten. Die Telefonkonferenz sei auf den Abend gelegt worden, weil die EZB abwarten wolle, was die USA zur Beruhigung der Märkte unternähmen. "Der wichtige Teil im Gesamtbild sind jetzt die USA", hieß es in den Kreisen.
US-Rating-Schock
Erstmals in ihrer Geschichte gilt die größte Volkswirtschaft der Welt nicht mehr als absolut zuverlässiger Schuldner. Die Ratingagentur Standard & Poor's stufte wegen wachsender Zweifel an der Finanzierung der Schulden die Kreditwürdigkeit der USA am Freitagabend auf die zweitbeste Note AA+ mit negativem Ausblick herunter. Dies verteuert nicht nur den Schuldendienst, sondern droht auch den Wert der US-Staatsanleihen zu mindern und die Weltleitwährung Dollar zu schwächen.
Die stellvertretenden Finanzminister der Gruppe der 20 wichtigsten Schwellen- und Industriestaaten berieten in einer Telefonkonferenz über die brenzlige Lage. Innerhalb der G-7 wird diskutiert, das für Mitte September geplante Treffen der Finanzminister vorzuziehen. Wegen der Schwäche des Dollar ziehen vor allem die Schwellenländer Investoren an und importieren auf diese Weise Inflation. Der größte Gläubiger der USA, China, kritisierte die Politik in Washington scharf dafür. Die US-Regierung rief die Parteien des Landes zur Geschlossenheit auf.