Wer rettet wen? - Arme Länder als Quelle für Wachstum
09.09.2009
Die Wirtschaftskrise hat fatale Folgen für die Ärmsten in den Entwicklungsländern. Zwischen 30.000 und 50.000 Säuglinge werden 2009 allein in Afrika zusätzlich sterben, errechnete die Weltbank in einer Studie. Die Krise trifft die Entwicklungsländer am härtesten - ohne dass sie Schuld daran tragen. Weltbankchef Robert Zoellick sieht jetzt aber auch die Chance für einen Neuanfang in den Entwicklungsländern und damit eine mögliche Lösung für die Probleme weltweit: "Sie sind am anfälligsten, aber auch eine potenzielle Quelle für Wachstum."
Da die Krise die Wachstumsmechanismen in der Welt verschoben habe, komme es jetzt auf die Entwicklungsländer an. "China ist ein gutes Beispiel, weil es dem Wachstum der Welt hilft", sagte Zoellick bei einem jüngsten Besuch in Peking. Mit seinem Konjunkturprogramm habe China sein Wachstum auf fast 8 Prozent halten können und stabilisiere damit die angeschlagene Weltwirtschaft.
"Können uns nicht mehr auf den US-Verbraucher stützen"
"Wir können uns nicht mehr auf den US-Verbraucher stützen, um Wachstum zu halten, sondern wir brauchen andere", nennt Zoellick außer China auch Indien, Indonesien, Ägypten, Mexiko. "Andere Entwicklungsländer können ferner noch andere Formen von Wachstum schaffen".
Ist die Lage in den reichen Nationen wegen Arbeitslosigkeit und Kreditklemme schwierig, geht es in vielen Entwicklungsländern aber zunächst ums nackte Überleben - nicht nur unter den Ärmsten in Afrika. Die Wirtschaftskrise traf die Entwicklungsländer, als sie gerade noch dabei waren, die Nahrungsmittelkrise und hohe Ölpreise zu bewältigen.
Die Weltbank sieht rund 40 Länder besonders gefährdet. Der Handel ist eingebrochen, vor allem bei den Rohstoffexporteuren. Der Tourismus geht zurück. Arbeiter, die in anderen Ländern Jobs gefunden haben, überweisen weniger Geld an ihre Familien.
Heuer 50 Mio. Menschen mehr in der Armut
Lag das Wachstum der Entwicklungsländer 2007 noch bei 7,7 Prozent, fällt es in diesem Jahr voraussichtlich auf 1,2 Prozent. Ohne China und Indien dürften die armen Volkswirtschaften um 1,6 Prozent schrumpfen. Etwa 50 Mio. Menschen dürften weltweit zusätzlich in die Armut fallen. Damit aus der Krise eine Chance wird, müssten die Entwicklungsländer nicht nur aus der Not gerettet, sondern in die Lage versetzt werden, Wachstum zum Wohle der Weltwirtschaft zu generieren, sagte Zoellick. "Ich sehe hier großes Potenzial."
Der Weltfinanzgipfel der 20 führenden Industrienationen Ende September in Pittsburgh müsse die Weichen stellen. "Ich fordere die Industrienationen dringend auf, über die Stabilisierung der Finanzmärkte hinaus auch die Nöte der am meisten gefährdeten Länder zu lindern", sagte Zoellick. "Das ist im Interesse der entwickelten Staaten."
Mit zusätzlichen Finanzmitteln könnten die ärmeren Länder ihren Handel ankurbeln, das Sozialnetz ausbauen, in die Infrastruktur und herstellende Industrie investieren. So könnten Grundlagen für künftige Produktivität gelegt werden.
Damit die Entwicklungsländer gerettet werden und diese im Gegenzug die Welt retten können, müssten die reichen Industrienationen aber noch tiefer in ihre ohnehin leeren Kassen greifen, was höchst unwahrscheinlich erscheint. Der Weltbankchef lässt sich nicht beirren: "Wir sitzen alle in einem Boot."
Internationale Kooperation sei zwingend nötig, um aus dem Schlamassel herauszukommen. "Die Geberländer müssen nicht nur die bereits zugesagten Hilfen aufrechterhalten, sondern noch erhöhen", sieht Zoellick keine andere Wahl.