Die "Neue Grippe" (auch: "Schweinegrippe") ist nach Ansicht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nicht zu stoppen. Die UN-Organisation wies die Pharmahersteller deshalb an, unter Hochdruck an einem Impfstoff gegen den H1N1-Virus zu arbeiten. Angestellte im Gesundheitsbereich sollten als erste den Impfstoff erhalten. Jedes Land müsse selbst entscheiden, wer neben dem medizinischen Personal das Mittel noch erhalten solle, sagte die zuständige WHO-Direktorin Marie-Paule Kieny.
Die USA wollen offiziellen Angaben zufolge zusätzlich 884 Millionen Dollar für den Kauf von Inhaltsstoffen für ein Impfmittel ausgeben. Den Pharmakonzernen Sanofi Aventis, GlaxoSmithKline, Novartis und der zu AstraZeneca gehörenden Sparte MedImmune solle das Geld zur Verfügung gestellt werden. Die US-Gesundheitsbehörden haben bereits 649 Millionen Dollar in den Kauf von Impfstoffen auf Basis des H1N1-Virus und 283 Millionen Dollar in die Anschaffung von Mitteln zur Stärkung des Immunsystems investiert.
Die sogenannte "Schweinegrippe" ist die erste weltweite Epidemie des 21. Jahrhunderts. Schätzungen zufolge haben sich mehr als eine Million Menschen damit angesteckt. Mindestens 500 Todesfälle sind bekannt. Die UN-Gesundheitsorganisation WHO spricht von einer überwiegend moderat verlaufenden Erkrankung.
Produktion von Grippeimpfstoff nicht umstellen
Ein Impfstoff ist nach Einschätzung der WHO zwar nötig. Dies zwinge jedoch nicht zum Umstellen der Impfstoffproduktion. "Die Vorbereitung auf die nächste saisonale Grippewelle sollte fortgesetzt werden", erklärte die für Grippeimpfungen zuständige Kieny vor Journalisten in Genf.
Viele Hersteller können nicht gleichzeitig beide Impfstoffe herstellen. Die Produktion für die saisonale Grippe sei bereits zu 90 Prozent abgeschlossen, sagte Kieny. Der neue Impfstoff sei auch weitgehend gefunden, aber noch nicht für die Produktion lizenziert. Nach jüngsten Zahlen der EU- Seuchenbehörde ECDC sind bisher mehr als 110.000 Menschen an Schweinegrippe erkrankt, es gibt jedoch eine hohe Dunkelziffer. 572 der Patienten sind gestorben.
Eine für Grippeimpfungen zuständiges Expertenteam habe in der vergangenen Woche bei einer Sitzung in Genf empfohlen, dass die Zahl der Opfer über Impfungen zunächst gesenkt werden müsse, sagte Kieny. Als erstes müsste somit das Gesundheitspersonal geimpft werden, um das Gesundheitssystem funktionsfähig zu halten. Dann kämen besonders gefährdete Menschen jeden Alters mit chronischen Krankheiten an die Reihe. "Das Komitee hat festgestellt, dass die Pandemie nicht zu stoppen ist. Deswegen müssen alle Länder Zugang zu Impfstoffen haben", sagte die WHO-Direktorin. Da sich das Virus in den Ländern unterschiedlich schnell ausbreite, müssten auch nationale Impflösungen gefunden werden.
Studie: Virus ähnelt Erreger der Spanischen Grippe
Das Virus ist einer Studie zufolge dem Erreger der Spanischen Grippe von 1918 ähnlich. Wie eine Forschergruppe um Yoshihiro Kawaoka von der University of Wisconsin in der Fachzeitschrift "Nature" berichtete, greift das H1N1-Virus eher als die üblichen saisonalen Grippen auf die Lungen über. Dies sei ein Kennzeichen von Viren, die Pandemien auslösen, und insbesondere des Erregers der Spanischen Grippe, schrieb Kawaoka.
Wer diese überlebt habe, sei auch besser vor der neuen Grippe geschützt. Die Ergebnisse stützten sich auf Tierversuche und Untersuchungen von Menschen, die vor 1920 geboren wurden. An der Spanischen Grippe waren zwischen 40 Millionen und 100 Millionen Menschen gestorben.