Fleisch aus dem 3D-Drucker
Die Zukunft der Ernährung
29.10.2020
Der schweizerisch-deutsche Wissenschaftler Lars Jaeger schreibt in seinem Artikel „Wie wir uns ernähren werden“ davon, dass die Zukunft vegetarisch sein wird. Wir haben ihm dazu einige Fragen gestellt.
Der Klimawandel steht seit mittlerweile mehreren Jahren im Zentrum des Geschehens. Nie zuvor wurde so viel über die globale Erwärmung diskutiert wie seit Greta Thunberg und der „Fridays for Future“-Bewegung. Ein Thema kommt in dieser Diskussion aber oft zu kurz: Unsere Ernährung.
Wie kann eine klimafreundliche Ernährung aussehen? Ist die Zukunft vegan? Wird künstlich erzeugtes Fleisch schon bald alltagstauglich? Lösungen auf diese Fragen suchte unlängst auch der renommierte Wissenschaftler und Autor Lars Jaeger in seinem Aufsatz „Wie wir uns ernähren werden“. Seine Erkenntnisse bespricht er im COOKING-Interview.
Fleischlos für die Energiewende
Laut Schätzungen des WWF kann sich der ökologische Fußabdruck eines Mitteleuropäers um 25% verringern, wenn er auf fleischlose Alternativen umsteigt. Vegan lebende Menschen verringern diesen Wert sogar um bis zu 40%. Jaeger sieht hier großes Potential: „Es ist selbstverständlich, dass die Energiewende nicht nur über eine Ernährungsumstellung zu erreichen ist. Ich habe jedoch das Gefühl, als würde das Thema unterdessen auch in der Klimadebatte stärkere Gewichtung erfahren.“
Dass der Konsum tierischer Produkte unmittelbar mit der Freisetzung von Treibhausgasen in Verbindung zu setzen ist, steht für ihn außer Frage. So werden für die Produktion eines Kilos Rindfleisch ca. 13 Kilogramm CO2 emittiert, für die Produktion eines Kilos Butter sogar bis zu 24 Kilogramm CO2.
Gesellschaftliches Umdenken
Laut Lars Jaeger rückt die Ernährungsdiskussion also mehr und mehr in das gesellschaftliche Gedächtnis. Risiken und Probleme des exzessiven Fleischkonsums der Mitteleuropäer*innen werden immer bekannter: Neben der Tatsache, dass Fleischkonsum etwa das Krebsrisiko bei Menschen signifikant erhöht, wird es auch immer schwieriger, die stetig steigende Weltbevölkerung satt zu machen. Muss die Menschheit in Zukunft also gänzlich auf den Fleischkonsum verzichten? Nein, sagt Jaeger, denn es gibt einen vielversprechenden Ausweg: Fleisch aus dem Labor.
Fleisch aus dem 3D-Drucker
Bereits Anfang des vergangenen Jahrzehnts wurde an der Universität Maastricht ein künstliches Fleischlaibchen hergestellt. Dies gelang den Wissenschaftlern durch die Entnahme von Rindermuskelstammzellen, die sie mit Nährstoffen, Salzen, pH-Puffern und Wachstumsfaktoren versetzten. Nachdem sich die Zellen vermehrten, wurde aus den Zellsträngen irgendwann ein vollwertiges Fleischlaibchen. Kostete die Herstellung damals noch 250.000 Euro, kostet sie heute, wenige Jahre später, nur noch etwa zehn Euro. Zahlreiche Start-Ups stehen in Bezug auf Fleisch aus dem 3D-Drucker bereits kurz vor der Marktreife. Das holländische Unternehmen „byflow“ etwa, hat in Kooperation mit einem Haubenkoch schon im Jahr 2018 das erste 3D-Drucker-Restaurant in der Stadt Wolvega veröffentlicht. Jaeger zeigt sich zuversichtlich: „Die Technologie ist bereits sehr ausgereift und es wird nur mehr wenige Jahre dauern, bis diese Start-ups den Markt verändern werden. Die Technologie selbst ist mittlerweile weit genug. Momentan scheitert es noch daran, dass die Preise für das künstliche Fleisch etwas zu teuer und damit noch nicht wettbewerbsfähig sind, dies wird sich jedoch schon bald verändern.“
Jaeger vergleicht die Verbreitung des 3D-Fleischs mit der Nutzung von Solarzellen: „Anfänglich waren Solarzellen unerschwinglich, doch nachdem viel in die Technologie investiert wurde und diese weiter ausgebaut war, stand der enormen Verbreitung der Zellen nichts mehr im Weg.“
Weiters meint der Wissenschaftler: „In wenigen Jahren wird das Fleisch aus dem 3D-Drucker nur mehr etwa die Hälfte vom heutigen Preis kosten und damit sogar unter die Preise von regulärem Fleisch fallen. Spätestens dann, wird der schmackhafte Fleischersatz die Massen erreichen.“
Gentechnik: Ein zweischneidiges Schwert?
Während bislang für Gentechnik in der Europäischen Union relativ strenge Regeln gelten, könnten ihre Methoden jedoch weitere Verbesserungen im Hinblick auf den Klimawandel mit sich bringen. Lars Jaeger nennt hierbei ein Beispiel: „Gentechnisch veränderter Reis würde in seiner Produktion im Vergleich zu regulärem Reis mehr Ertrag bringen und dabei weniger Treibhausgase freisetzen.“
Das heißt aber nicht, dass die Gentechnik alle Probleme lösen kann: „Man muss hier pragmatisch entscheiden, wann Gentechnik nützlich ist und wann nicht. Ich unterstütze weder die radikalen Gentechnikgegner, noch die extremen Befürworter. Der Einsatz von gentechnischen Verfahren muss fallweise begutachtet und entschieden werden.“
Revolution am Lebensmittelmarkt
In seinem Artikel schätzt Jaeger, dass bis 2040 35 Prozent der gesamten Fleischproduktion über die Zucht von Zellen mittels 3D-Drucker ablaufen wird. Auf die Frage was es braucht, damit die breite Bevölkerung diese neuartigen Herstellungsverfahren annimmt, antwortet er mit einem Vergleich: „Vor wenigen Jahren war der Konsum von Maden und Insekten für die meisten noch unvorstellbar. Mittlerweile gibt es diese längst in normalen Lebensmittelgeschäften zu kaufen und eine Vielzahl der Menschen hat sie bereits probiert.“
Ist eine ähnliche Entwicklung für künstliches Fleisch zu erwarten? Jaeger ist optimistisch: „Die Verbreitung in der Masse ist keine Entwicklung die von heute auf morgen geschieht, sondern ein Prozess, der über 10 oder 20 Jahre gehen wird. Man muss die Leute das klimabilanzfreundlich produzierte Fleisch erst kosten und schmecken lassen, damit diese das auch annehmen. Mittels High-Tech-Geschmacksverstärkern kann das 3D-Fleisch einen schmackhaften Proteinersatz darstellen“, so der Experte.
Fazit
Jaeger ist sich sicher, dass sich die Essgewohnheiten der gesamten Weltbevölkerung über die nächsten Jahrzehnte drastisch verändern werden. Und auch selbst entsagt er dem Fleisch: „Sehen Sie sich doch die großen Schlachtbetriebe an. In der modernen Fleischindustrie vergeht vielen Menschen mittlerweile der Geschmack.“ Tatsache ist, dass große Schlachtbetriebe wie zuletzt das deutsche Unternehmen Tönnies, immer wieder aufgrund von unhaltbaren Zuständen in die Schlagzeilen geraten. Er zeigt sich vom baldigen Siegeszug des künstlichen Fleischersatzes überzeugt: „Tagtäglich wird bereits jetzt eine Vielzahl an fleischlosen Alternativen wie zum Beispiel Soja von den Konsumenten angenommen. Warum sollte sich also das Fleisch aus dem 3D-Drucker nicht durchsetzen?“