Der erhoffte Effekt mit einem HIV-Medikament in China blieb aus
Ein HIV/Aids-Medikament mit den Wirkstoffen Lopinavir und Ritonavir wird nach Erstversuchen bei SARS und MERS nun auch bei Covid-19-Patienten angewendet. Eine erste klinische Studie mit fast 200 Patienten in Wuhan in China bei Schwerkranken hat kaum einen positiven Effekt gebracht, berichtet das chinesische Autorenteam jetzt im New England Journal of Medicine.
Große Hoffnungen darf man sich offenbar nicht machen. "Bei hospitalisierten erwachsenen Patienten mit schwerer Covid-19-Erkrankung wurde mit Lopinavir/Ritonavir kein Benefit im Vergleich zur Standardtherapie registriert", schrieb das Autorenteam unter Leitung von Bin Cao vom Nationalen Klinischen Forschungszentrum für Pneumologie Chinas. Man müsse allerdings weiterforschen. Außerdem hätte es sich bei den in die Studie aufgenommenen Patienten um Kranke mit sehr schwerer Covid-19-Verlaufsform gehandelt. Möglicherweise käme für diese besser eine andere medikamentöse Therapie, zum Beispiel mit der Substanz Remdesivir, infrage.
Klinische Studie mit 199 Patienten
Als die SARS-CoV-2-Epidemie in Wuhan ausbrach, machte sich die große Forschergruppe daran, im Schnellverfahren eine klinische Studie mit dem Proteasehemmer-Medikament durchzuführen, um erstmals wissenschaftlich einen möglichen Effekt des weltweit zugelassenen Medikaments zur Behandlung von HIV/Aids auch bei Covid-19 zu belegen. Dies erfolgte an einer Klinik in Wuhan.
Von 199 Patienten mit schwerer Erkrankung wurden per Zufall 99 der Lopinavir/Ritonavir-Gruppe (zusätzlich zur Standardtherapie) zugeteilt, hundert vergleichbare Patienten im Alter von rund 58 Jahren erhielten ausschließlich die Standardtherapie. Placebo gab es keines, weil die Zeit so drängte. Primär sollte beurteilt werden, ob die Behandlung mit dem Medikament schneller zu einer Besserung des Zustandes führt oder nicht. Alle Patienten hatten eine schlechte Sauerstoffsättigung im Blut mit oder ohne Sauerstoffzufuhr. Es handelte sich durchwegs um Schwerkranke.
"Kein Nutzen"
In der Gesamtgruppe hatte die Gabe des Kombinationsmedikamentes keinen Einfluss auf die Zeit bis zu einer Verbesserung des klinischen Zustandsbildes. "Die Mortalität nach 28 Tagen war in der Lopinavir/Ritonavir-Gruppe mit 19,2 Prozent versus 25 Prozent in der Gruppe mit Standardtherapie ähnlich." Fast völlig gleich waren auch die Kurven bei der Virusbelastung im Atemtrakt.
Erst in einer modifizierten Analyse unter Nichtberücksichtigung von drei Patienten, welche frühzeitig gestorben waren, zeigte sich eine schnellere Verbesserung des Zustandsbildes um einen Tag (15 statt 16 Tage). Allerdings benötigten die Kranken, welche den Proteasehemmer erhielten, nur sechs Tage intensivmedizinische Betreuung im Vergleich zu elf Tagen in der Gruppe unter ausschließlicher Standardtherapie. Schließlich war der Anteil der Patienten mit einer signifikanten Verbesserung ihres Zustandes nach 14 Tagen unter den Patienten, welche die medikamentöse Behandlung erhielten, mit 45,5 versus 30 Prozent (Standardtherapie allein) höher.