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Coronavirus

Vertuschungsskandal in Tirol: Protokoll des Ischgl-Versagens

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Hunderte Touristen haben sich in Ischgl mit Covid-19 angesteckt. Erste Klagen laufen.

Eingebracht sind inzwischen Sammelklagen gegen Tirols Landeshauptmann Platter, zwei Landes­räte, mehrere Bürgermeister sowie drei Tiroler Seilbahnvorstände: „Offenbar sind im Interesse des Tourismus Sperren von Pisten und Hotels hinausgezögert worden“, so Verbraucherschützer Peter Kolba, der Kläger.

29. Februar: Beginn

Bei einem Flug der Icelandair aus München nach Island treten 15 Covid-19-Fälle auf. Alle Skifahrer waren in Ischgl, feierten im „Kitzloch“.
Warnung. Islands Behörden erklären Ischgl zum Risikogebiet. Die Namen der Infizierten werden den Tiroler Behörden übermittelt: „Doch die haben das völlig ­ignoriert“, sagt der Isländer Kári Stefánsson.

5. März: Empört

oe24.at berichtet über die Isländer. Ein empörter Sprecher der Tiroler Landesregierung ruft an: Wir sollen doch bitte nicht länger schreiben, dass sich 14 Isländer in Ischgl infiziert hätten. Wörtlich sagt er: „In Ischgl gibt’s keinen Fall …“

6. März: Fake News

Während noch dementiert wird, werden Ärzte nach Ischgl geschickt. Sie dürfen aber nur bestimmte Personen testen. Hoteliers und Bürgermeister werden vorab alarmiert. Der deutsche Barkeeper der Après-Ski-Bar „Kitzloch“ wird getestet. Positiv. Auch 15 „Kitzloch“-Mitarbeiter sind positiv. Trotzdem sagt Tirols Sanitätsdirektor Franz Katzgraber: „Aus medizinischer Sicht ist es wenig wahrscheinlich, dass es in Tirol zu Ansteckungen gekommen ist.“ Auch wird von einem Hotelier ein Infektionsfall nicht weitergeleitet.

10. März: Erste Sperren

Erst jetzt lässt Tirol das „Kitzloch“ sperren. Ebenso weitere ­Après-Ski-Lokale. Eine Quarantäne für Ischgl und das Paznauntal gibt es aber noch immer nicht.

Vertuschungsskandal in Tirol: Protokoll des Ischgl-Versagens
© APA/JAKOB GRUBER
In dieser Bar in Ischgl soll alles angefangen haben.

13. März: Ski-Aus

Die Regierung erklärt Ischgl und das Paznauntal zum Risikogebiet und verhängt eine Quarantäne. Aber: Ausländische Urlauber dürfen das Gebiet verlassen. Sie werden angewiesen, ohne Unterbrechung nach Hause zu fahren – kontrolliert wird das aber nicht. Auch soll der Tiroler Tourismusverband Hoteliers im Vorhinein über die geplanten Maßnahmen informiert haben. Manche Hoteliers entließen darauf ihre Arbeiter. Womöglich haben diese das Virus ebenfalls verteilt. Das wurde nicht bedacht, verdrängt.

14. März: Skandal

Tausende Urlauber wollen weg. Sie kehren unterwegs ein, da es an Reiseverbindungen fehlt. Niemand kontrolliert. Andere bleiben in Innsbruck – keine Flieger. Übernachten in Hotels. Ein Deutscher aus Bremen sagt zu ÖSTERREICH: „Wir waren eine Männergruppe. Schon beim Skifahren hatten wir Schnupfen, das verdrängten wir.“ Alle sind inzwischen Corona-krank. Niemand weiß, wie viele sie bei ihrer Rückkehr ­infiziert haben.

15. März: Lifte

Noch immer läuft der Betrieb einiger Skilifte, wird erst am Abend komplett eingestellt. Hunderte Skifahrer drängen sich auf den Sonnenterrassen.

16. März: Klagen

In ganz Deutschland, Dänemark, Schweden, Norwegen, Island gibt es Covid-19-Krankheitsfälle. Ursprung: Ischgl. Allein in Hamburg gibt es 80 Fälle. Klagen wurden eingereicht.

Video zum Thema: Internationale Negativschlagzeilen über Tirol

19. März: Totalsperre

Erst als die Zahl der Infektionen emporschnellt, wird über alle 279 Tiroler Gemeinden eine komplette Sperre verhängt. Viel zu spät.

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