Der Gesundheitsminister im großen Interview

Anschober: ''Fast schon so schlimm wie im Herbst''

20.03.2021

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (GRÜNE) im großen ÖSTERREICH-Interview.

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© Johannes Kernmayer (Archivbild)
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ÖSTERREICH: Wie geht es Ihnen gesundheitlich?

RUDOLF ANSCHOBER: Danke der Nachfrage. Es geht mir gut, die Untersuchungen haben keine organischen Folgen der Akutbelastung der letzten Monate gezeigt, und daher bin ich seit einer Woche wieder voll im Einsatz.

ÖSTERREICH: Stehen wir unmittelbar vor dem nächsten Lockdown? Lockerungen um Ostern herum scheinen doch unrealistisch, oder?

ANSCHOBER: Wir sehen eine regional sehr unterschiedliche Lage. Der Osten Österreichs ist am stärksten belastet, weil sich hier die besonders gefährliche britische Mutationsvariante bereits durchgesetzt hat und je nach ­Region zwischen 80 und 95 Prozent der gesamten Neuinfektionen ausmacht. Dadurch steigt im Osten Österreichs die Belastung der Intensivabteilungen sehr stark an, ich befürchte bereits in wenigen Tagen eine vollständige Auslastung – wir sind nicht mehr weit entfernt von der schwierigen Lage im vergangenen Herbst.

ÖSTERREICH: Sind Sie für eine Verlängerung der Osterferien?

ANSCHOBER: Wir müssen bis Montag gute und ausreichende Maßnahmen entwickeln, damit es nicht zum Zusammenbruch der intensivmedizinischen Versorgung in Teilen Österreichs kommt. Daran arbeiten wir.

ÖSTERREICH: Zum Impfstreit: War Ihnen bewusst, dass das budgetäre 200-Millionen-­Euro-Limit nur ein Richtwert war und jederzeit aufgestockt hätte werden können?

ANSCHOBER: Nein, es wurde ja vom Finanzministerium sogar auf eine Obergrenze vor der Formulierung des Ministerratsvortrages bestanden. Diese wurde auch gesetzlich verankert.

ÖSTERREICH: Finanzminister Blümel hat aber gesagt, eine Aufstockung wäre jederzeit möglich. Hakt da was in der Kommunikation?

ANSCHOBER: Die Summe ist aber mehrfach gesetzlich festgeschrieben worden – unter anderem im Budgetbegleitungsgesetz.

ÖSTERREICH: Wann und durch wen wurden Sie dar­über informiert, dass Herr Auer auf die zusätzlichen Impfdosen verzichtet hat?

ANSCHOBER: Österreich hat 31 Millionen Impfdosen bestellt, wir haben also eine dreifache Überbestellung. Die Bestellmengen ist also kein Problem. Und wir sind übrigens derzeit unter den besten Ländern der EU bei den Impfmengen der letzten Tage und Wochen.

ÖSTERREICH: Sind wir durch die zusätzlich von der EU zugesagten Dosen jetzt wieder im Impfplan?

ANSCHOBER: Wir waren im Impfplan und wir sind im Impfplan – mittlerweile wurden über 1,2 Millionen Impfungen in Österreich durchgeführt, 12 Prozent der impfbaren Bevölkerung hat bereits zumindest eine Impfung erhalten.

ÖSTERREICH: War es rückblickend gesehen ein Fehler, die Impfkampagne an die Länder zu delegieren und nicht zentral zu steuern?

ANSCHOBER: Das glaube ich nicht. Wir haben eine gute Arbeitsteilung mit den Ländern – der Bund ist für die Beschaffung, die Bestellungen, die Logistik und die Auslieferung sowie für den die Reihenfolge der Impfungen festlegenden Impfplan zuständig. Die Bundesländer hingegen verwirklichen die organisatorische Um­setzung vor Ort. Und das können sie gut.

ÖSTERREICH: Wie viele Österreicher werden im ersten Halbjahr 2021 geimpft sein?

ANSCHOBER: Mein Ziel ist, sofern die zugesagten Liefermengen eingehalten werden, dass wir im Juli zwei Drittel der Bewohner Österreichs geimpft haben.

ÖSTERREICH: Bundeskanzler Kurz erwartet eine schrittweise Rückkehr zur Normalität ab dem Sommer. Glauben Sie das auch?

ANSCHOBER: Mit der Impfung haben wir eine große Chance auf Verbesserung. Ich fürchte allerdings, es wird kein vollständiges Zurück sein zu einem Leben wie zuvor.

ÖSTERREICH: Ihr Verhältnis zu Bundeskanzler Kurz wird als „Eiszeit“ beschrieben. Dem werden Sie nicht zustimmen, aber wie würden Sie das Verhältnis beschreiben?

ANSCHOBER: In der schwersten Krise seit Jahrzehnten müssen die beiden hauptverantwortlichen Politiker professionell zusammen­arbeiten. Das machen wir.

ÖSTERREICH: Ist die Koalition in Gefahr? Wird sie noch die Kraft haben, nach der hoffentlich irgendwann zu erwartenden Überwindung der Pandemie die nächsten wichtigen Fragen anzugehen?

ANSCHOBER: Die Koalition arbeitet professionell.

ÖSTERREICH: Persönliche Frage: Haben Sie sich in den vergangenen Wochen wirklich nie überlegt, wie lange Sie sich das noch antun ­wollen?

ANSCHOBER: Morddrohungen zu erleben und einen enormen Arbeitsdruck ohne einen wirklich freien Tag seit mehr als einem Jahr – das ist tatsächlich eine Belastung. Aber das ist die Pandemie mit ihren vielen Folgen doch für uns alle. Und da müssen wir durch – gemeinsam können wir das schaffen.

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