Erstmals Situation, wo beide Erreger in Europa zirkulieren
Die strikten Covid-19 Maßnahmen verpatzten dem Influenzavirus die vergangene Wintersaison (2020/21) gänzlich. "Heuer gibt es hingegen in Europa schon breite Influenza-Aktivitäten", berichtete Monika Redlberger-Fritz von der Medizinischen Universität Wien. Bei den hohen Covid-19-Fallzahlen müsse man "mit Doppelinfektionen rechnen, die besonders schwer verlaufen, weil das Immunsystem nicht mit beiden Erregern gleichzeitig zurande kommt", sagte sie am Dienstag vor Journalisten.
Derzeit gäbe es in Europa schon 41 Patienten, die wegen Influenzavirus-Infektionen auf der Intensivstation versorgt werden mussten, obwohl die Grippesaison noch gar nicht begonnen hat, erklärte die Expertin vom Zentrum für Virologie der Meduni Wien: "Im Vorjahr waren es über die gesamte Saison verteilt lediglich vier Personen." Viele der Intensivpatienten wären Kinder. "Es trifft also nicht nur die älteren Personen, wie viele Menschen glauben", sagte sie. Durch die schweren Influenza-Erkrankungen würden freilich auch die Intensivstationen zusätzlich zu den Covid-19-Fällen belastet.
Neue Situation
Laut des europäischem Überwachungssystems "Sentinel" gäbe es vor allem in Russland und teils in Schweden verbreitet Infektionsaktivitäten des Grippevirus, es ist aber auch schon im Nachbarland Deutschland angekommen, so Redlberger-Fritz: "Influenza ist ein reisendes Virus, es wird heuer ganz sicher auch nach Österreich eingeschleppt werden." Sie rechne spätestens damit, wenn nach dem Lockdown wieder vermehrt Reisende nach Österreich kommen.
"Das ergibt eine Situation, die wir zuvor noch nicht hatten", erklärte sie. Wenn Influenza und SARS-CoV-2 zeitgleich zirkulieren, wären Doppelinfektionen möglich. Weil es im Vorjahr quasi Null Prozent Grippeaktivität gab, existierte diese Problematik damals nicht. Man kenne aber Fallberichte vom Beginn der Covid-19-Pandemie in China, wo Doppelinfektionen "ganz besonders schwer verlaufen sind", berichtete die Expertin. Für das Immunsystem wäre es wohl schwer, mit beiden Erregern gleichzeitig zurecht zu kommen. "Es kann zu einem sogenannten Zytokinsturm kommen, wo viele Botenstoffe ausgeschieden werden und es zu einer massiven Überreaktion des Immunsystems kommt." Für die Betroffenen ist dies eine akut lebensbedrohliche Situation.
Verhindern könne man solche Doppelinfektionen durch Impfungen. "Man sollte dabei nicht nur auf SARS-CoV-2 schauen, sondern auch gegen Influenza impfen", meint sie. Bei Kindern bis 14 Jahren wäre die Influenza-Impfung heuer kostenlos, und sie ist schon ab einem Alter von sechs Monaten zugelassen.
"Medizinisch gesehen kann man beide Seren gleichzeitig verabreichen", erklärte Redlberger-Fritz. Wenn die Kinder oder Erwachsenen verunsichert sind, könnte man dazwischen ein paar Tage verstreichen lassen. "Ein Zeitabstand ist nicht notwendig, aber O.K., wenn man sich dabei wohler fühlt", sagte sie.