"Sehr fragile Lage"

Forscher warnt vor dritter Welle nach Weihnachten

15.12.2020

Komplexitätsforscher Peter Klimek: 'Brauchen eigentlich drastische Reduzierung' um dritte Welle abzuwenden.

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© APA/HELMUT FOHRINGER
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 Angesichts der auch nach dem harten Lockdown zuletzt relativ hohen täglichen Covid-19-Neuinfektionszahlen ortet der Komplexitätsforscher Peter Klimek weiter eine "sehr fragile und riskante Lage". Um eine dritte Welle nicht bald nach den Weihnachtsfeiertagen hochschwappen zu lassen, "brauchen wir eigentlich noch eine drastische Reduzierung". Wie andere Länder sollte auch Österreich die Chance zum Einbremsen der Verbreitung über Weihnachten nutzen, so Klimek zur APA.
 
Das "COVID-Prognose-Konsortium", dem der Wissenschafter vom Complexity Science Hub Vienna (CSH) und der Medizinischen Universität Wien angehört, arbeitet gerade daran, den Fallzahl-Verlauf im Angesicht der zu Ende gegangenen ersten Massentestungen in Österreich zu deuten. Auch wenn diese breite Initiative die Gesamtzahl der positiv Getesteten natürlich etwas hinaufzieht, sei man von tatsächlich überschaubaren Zuwächsen noch weit entfernt. Im Wochenvergleich gehen die Neumeldungen zwar hinunter, dieser grundsätzlich erfreuliche Trend gehe aber "immer langsamer" vonstatten, so Klimek.
 

"Nicht zufrieden sein"

Jetzt könnte sich hierzulande das einstellen, was in Deutschland zuletzt über viele Wochen zu beobachten war, nämlich eine Art Dahinköcheln der Corona-Situation auf recht hohem Niveau. "Da es jetzt nicht so aussieht als würde es hierzulande sehr schnell stärker hinuntergehen, ist das das beste, was wir für Österreich momentan erhoffen können", sagte der Wissenschafter: "Damit kann man natürlich nicht zufrieden sein."
 
Die Intensivstationen sind bekanntlich weiter massiv unter Druck. Das gehe jetzt gerade gut, bleibe man aber länger auf diesem Niveau, "ist es nicht die Frage ob, sondern wann sich die dritte Welle aufbaut". Da offenbar viele Leute maßnahmenkonform planen, ein relativ normales Weihnachtsfest im etwas weiterem Familienkreis zu verbringen, und der Dezember und Jänner für Erreger, die dem SARS-CoV-2-Virus ähnlich sind (Beta-Coronaviren), immer ein Verbreitungs-Höhepunkt war, stehe kaum Entspannung vor der Tür. Dazu komme die Beobachtung, dass das Thanksgiving-Fest in den USA die dortige Entwicklung wieder stark befeuert hat, so der Wissenschafter, der mit dem Team am CSH internationale Trends intensiv beobachtet.
 

Zahlen weiterhin zu hoch

Wenn jetzt mit Deutschland, Italien und anderen Ländern auch viele Nachbarn um die Weihnachtszeit stark in Richtung Einbremsen der Ausbreitung abzielen, "haben wir auf europäischer Ebene die Chance, uns zu koordinieren, dass wir diese Phase nutzen, um die Zahlen gemeinsam herunterzubringen", betonte Klimek. Würde Österreich hier einen anderen Weg einschlagen, wäre das geradezu "fahrlässig". Gemeinsam mit zahlreichen anderen europäischen Wissenschaftern bereitet Klimek momentan ein Positionspapier vor, in dem man eine koordinierte Vorgehensweise skizziert und einmahnt.
 
Um die Kurve möglichst flach zu halten, seien auch um die 2.000 Neuinfektionen täglich einfach zu viel. Wäre man - auch im Gleichschritt mit anderen Ländern - bei auf Österreich umgelegt wenigen hundert Fällen pro Tag, "kann auch das Tracen wieder funktionieren oder wir können wieder über regionale Maßnahmen in Hotspots nachdenken." Auch das neue Mittel der Massentestungen funktioniere bei niedrigeren Fallzahlen besser. Bis die in Aussicht stehenden Impfungen ihre potenzielle Bremswirkung entfalten werde es nämlich noch mehrere Monate dauern.
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