In Indien hat sich die Corona-Lage dramatisch verschlechtert Angehörige von Corona-Kranke kreiden die Fehler und das Unvermögen der indischen Regierung an.
Die Situation in Indien spitzt sich zu. Infektionszahlen schnellen in die Höhe, es mangelt an Sauerstoff und Hilfe. Angehörige von Corona-Erkrankten melden sich zu Wort. Sie sind der Meinung: "Die Regierung lügt."
Schuld ist die indische Bürokratie
Brijesh Pandey ist jeden Tag stundenlang damit beschäftigt, Sauerstoff für seinen schwer an Covid-19 erkrankten Schwager zu besorgen. "Die Regierung sagt, dass es genug Medikamente und Sauerstoff gibt", sagt der 42-Jährige. Aber schauen Sie, wie hunderte verzweifelte Menschen darum kämpfen, das Leben ihrer Brüder, Schwestern und Eltern zu retten." Obwohl Pandeys Schwager nur schwer Luft bekommt, wird er zu Hause versorgt. Schuld ist die indische Bürokratie. Als sich das Virus schon stark ausbreitete, wurden in Uttar Pradesh noch Kommunalwahlen abgehalten. Der Bruder von Pavan Singh, ein Lehrer, steckte sich bei seiner Arbeit als Wahlhelfer an und starb. "Mein Bruder wäre noch am Leben, wenn die Regierung ihren Verstand benutzen würde", sagt Singh.
Schnelltests sind nicht zugelassen
"Wir konnten nur einen Schnelltest machen lassen, der von den Krankenhäusern nicht anerkannt wird", berichtet Panday. "Sie verlangen einen RT-PCR-Test, und der ist nicht verfügbar." Die Familie musste also die für sie astronomische Summe von 40.000 Rupien (knapp 450 Euro) aufbringen, um eine Sauerstoffflasche zu besorgen. Die Sauerstoffstation in Moradabad wird von Polizisten bewacht. Vorgelassen werden nur Wartende, die ein Rezept von einem Arzt vorweisen können. Damit wollen die Behörden nach eigenen Angaben Schwarzhändler abhalten. "
Es gibt keinen Mangel
Die Regionalregierung scheint das Ausmaß der Krise in den ärmlichen Dörfern nicht wahrhaben zu wollen. An der Spitze der Regierung steht der hinduistische Mönch Yogi Adityanath, der als möglicher Nachfolger des indischen Premierministers Narendra Modi gehandelt wird. Er beharrt darauf, dass es keinen Mangel an Medikamenten oder Sauerstoff gebe. Vergangene Woche erklärte der 48-jährige Mönch, wer "falsche" Behauptungen über angebliche Versorgungsengpässe in Uttar Pradesh aufstelle, müsse mit strafrechtlicher Verfolgung und Enteignung rechnen. Die Polizei ermittelt schon gegen mindestens zwei Privatleute und eine Klinik, die "Gerüchte und Angst verbreitet" haben sollen. Einer der Betroffenen wurde festgenommen, nachdem er im Onlinedienst Twitter einen Hilferuf nach Sauerstoff veröffentlicht hatte.
830 Tote
In Lucknow, der Hauptstadt von Uttar Pradesh, wurden im April offiziell 830 Corona-Tote registriert. Nach Angaben von zwei Krematorien wurden allein dort im vergangenen Monat allerdings mehr als 1.900 Leichen verbrannt und 500 weitere Tote auf dem muslimischen Friedhof bestattet.
Kaum Vorkehrungen
Nach Einschätzung von Vivek Awasthi, der eine Hilfsorganisation betreibt, behandeln viele Dorfbewohner das Coronavirus wie eine normale Erkältung. Vorkehrungen, um eine Ausbreitung zu verhindern, treffen sie nicht. Oft ist das nächste Krankenhaus auch einfach zu weit weg. Die Hinterbliebenen, die am Ufer des Ganges ihre Toten verbrennen, sind allesamt derselben Meinung: "Die Regierung lügt, wenn sie sagt, dass es keine Krise gibt", sagt Sanjeev Yada, dessen Schwägerin zu Hause gestorben ist. "Diese Scheiterhaufen beweisen, dass es eine Krise gibt und die Regierung nur versucht, sie zu vertuschen."