Coronavirus:
Kardiologen zu Fake News: Medikamente nicht absetzen
17.03.2020
Österreichische Herzspezialisten äußern sich ganz ähnlich wie bereits Empfehlungen der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie.
Wien. Medizinische Einzelmeinungen und darauf aufbauende Fake News haben vor Kurzem einen Zusammenhang zwischen Covid-19-Erkrankungen und der Einnahme bestimmter Blutdruckmedikamente hergestellt. Nachdem Rektor der MedUni Wien, Markus Müller, und dem Wiener Pharmakologen Michael Freissmuth am Wochenende reagierte am Dienstag auch die Österreichische Kardiologische Gesellschaft. Ihr Fazit: nichts dran.
Die Berichte hätten jedenfalls zu einer Verunsicherung vieler Patientinnen und Patienten mit Bluthochdruck und Herzinsuffizienz geführt, da ACE-Hemmer und Angiotensin-Rezeptor-Blocker sehr häufig und wirksam bei diesen Erkrankungen eingesetzt werden, stellte die Fachgesellschaft fest.
Das sind die Risikopatienten
"Immunsupprimierte Patienten, ältere multimorbide Patienten, Patienten mit Lungenvorerkrankung, aber auch Diabetiker und Patienten mit chronischen Herzerkrankungen sind generell als Risikopatienten zu klassifizieren und sollten sich daher ganz besonders schützen. Als Österreichische Kardiologische Gesellschaft (ÖKG) empfehlen wir, eine bestehende Medikation mit ACE-Hemmern und Angiotensin-Rezeptor-Blockern unbedingt beizubehalten. Ein Absetzen der Medikamente oder ein Wechsel auf andere Präparate ist nicht indiziert und sollte wegen des Risikos eines akuten Herzinfarktes oder Schlaganfalls unbedingt vermieden werden", unterstrich Peter Siostrzonek (Ordensklinikum Linz), Präsident der ÖKG, in einer Presseaussendung.
Der postulierte Zusammenhang zwischen einer Covid-19-Infektion und den genannten Medikamenten sei rein spekulativ und leite sich aus tierexperimentellen Befunden ab, wonach SARS-CoV-2 am sogenannten ACE2-Rezeptor in der Lunge gebunden wird und andererseits ACE2 unter einer Therapie mit ACE-Hemmern und Angiotensin-Rezeptor-Blockern vermehrt gebildet wird. Andere Studien geben stattdessen – ebenfalls spekulativ - gegenteilige Hinweise, wonach die entsprechende Therapie den Verlauf einer Covid-19-Infektion sogar abschwächen könnte. Ein schlüssiger wissenschaftlicher Beweis für einen Zusammenhang in die eine oder andere Richtung liegt aber keinesfalls vor, so Siostrzonek abschließend.
Keine Evidenz für eine negative Auswirkung
Es gibt keine wissenschaftliche Evidenz für eine negative Auswirkung der Einnahme von nichtsteroidalen Antirheumatika oder von ACE-Hemmern bzw. Sartanen bei Covid-19-Patienten oder Infizierten, hatten Samstagabend der MedUni-Wien-Rektor Markus Müller und der Leiter des MedUni-Wien-Zentrums für Physiologie und Pharmakologie, Christian Freissmuth, gegenüber der APA gesagt. Bereits zuvor hatte sich zu der Frage auch die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) geäußert.
"Diese Spekulationen über die Sicherheit von ACE-Hemmern oder Angiotensin-Rezeptorblockern haben keine solide wissenschaftliche Basis. In Wirklichkeit gibt es Evidenz aus Tierstudien, die darauf hindeuten, dass diese Medikamente eher einen schützenden Effekt vor schweren Lungenkomplikationen haben könnten. Es gibt aber bisher keine Daten (über den Effekt; Anm.) beim Menschen", hatte es in einer ESC-Stellungnahme geheißen.