Kanzler im großen Interview über Maßnahmen

Kurz: "Es ist noch zu früh für Entwarnung"

21.03.2020

Aber vorerst keine Verschärfung der Maßnahmen.

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© TZOE/Artner
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Wien. „Jetzt heißt es durchhalten“ – so lautet der deutliche Appell von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) an die Österreicherinnen und Österreicher. Eine Verschärfung der Maßnahmen im Kampf gegen Corona werde es vorerst nicht geben, erklärt er im oe24.TV-Interview mit Wolfgang Fellner.

Doch es sei notwendig gewesen, Schulschließungen und Ausgangsbeschränkungen bis zum Ostermontag (13. April) zu verlängern: „Wir müssen vermeiden, dass unser Gesundheitssystem zusammenbricht“, sagte Kurz mit Verweis auf das „unglaubliche Leid“ in Italien.

Kurz: »Ein nie da gewesenes Paket, um Jobs zu sichern«

In puncto wirtschaftlicher Auswirkungen verspricht der ÖVP-Chef „rasche und unbürokratische“ Hilfe für Unternehmen. Und Arbeitnehmer, die sich sorgen, wie sie Miete und Kredite weiterhin bezahlen können? Hier sei Kurz gerade in Gesprächen mit den Banken, wie er auf oe24.TV verrät.

Appell des Kanzlers: »Halten Sie durch!«

oe24.TV: Es gab zuletzt einen kleinen Silberstreif am Horizont – aber Sie warnen vor zu viel Optimismus.

Sebastian Kurz: Natürlich. Unser Ziel muss sein, dass wir eine Abflachung bei den Neuansteckungen schaffen. Wir müssen vermeiden, dass unser Gesundheitssystem zusammenbricht. Wir sehen in Italien, welch unglaubliches Leid ausgelöst wird. Das muss um jeden Preis vermieden werden. Daher gibt es überhaupt keinen Grund, jetzt Entwarnung zu schreien. Wir tun das Richtige, aber es wird nur wirksam sein, wenn wir jetzt durchhalten. Daher haben wir auch die Maßnahmen – von Schulschließungen bis Ausgangsbeschränkungen – bis 13. April verlängern müssen. Ich bitte alle inständig darum: Halten Sie durch!

oe24.TV: Drei weitere Wochen Geschäftsschließungen – das ist hart. Was sagen Sie denen, die sagen: Ich schaff’ das nimmer, ich gehe vorher bankrott.

Kurz: Zunächst einmal ver­stehe ich die Verzweiflung. Es sind aber nicht die Maßnahmen, die die Schwierigkeiten auslösen, sondern es ist die Krankheit. Wir haben als Bundesregierung 38 Milliarden Eu­ro in die Hand genommen – ein noch nie da gewesenes Paket, um Arbeitsplätze zu sichern und Unternehmen zu retten.

oe24.TV: Viele Unternehmer, vor allem kleine, haben Angst, dass das zu bürokratisch werden wird. Dass sie es nicht schaffen, in dieser kurzen Zeit zu ihrem Geld zu kommen.

Kurz: Wir haben uns wirklich bemüht, dass alles so unbürokratisch wie möglich ist. Es geht ja nicht nur darum, zu helfen, sondern auch rasch zu helfen. Es wird einen Soforthilfefonds geben, ein Paket insbesondere für EPUs, einen Härtefonds, den die Wirtschaftskammer abwickelt. Darüber hinaus das Kurzarbeitsmodell, da gab es früher wochenlange Fristen, wir haben sie auf 48 Stunden reduziert.

oe24.TV: Kleinen Einzelunternehmen wird der Verdienstentgang ersetzt? Ist das richtig?

Kurz: Für kleine Familienunternehmen und EPUs gibt es aus dem Härtefonds unbürokratisch Cash, damit sie ihren Einkommensentfall ausgleichen können – damit sie auch etwas zum Leben haben.

oe24.TV: Wir gehen derzeit unter in E-Mails von kleinen Arbeitnehmern. Die sagen, ihr vergesst auf uns – ihr rettet nur die Unternehmer. Donald Trump gibt jedem Bürger 1.200 Dollar. Überlegen Sie das auch?

Kurz: Dieses „Helikoptergeld“ hätte das Ziel, dass Kaufkraft gestärkt wird. Jetzt sind aber die Geschäfte zu, es kann ohnehin kaum etwas konsumiert werden. Unser oberstes Ziel ist es, Arbeitsplätze zu retten. Dort, wo es nicht gelingt, gibt es das Arbeitslosengeld. Aber unser Ziel ist, alle im Job zu halten, deshalb gibt es die Kurzarbeit. Wenn jetzt manche sagen, warum kriegen das die Unternehmen – das ist ein Denkfehler. Das Geld wird ja eins zu eins an die Mitarbeiter weitergegeben. Die Republik bezahlt de facto die Löhne.

oe24.TV: Und jene, die arbeitslos werden und Miete oder Kredite nicht mehr zahlen können?

Kurz: Wir tun alles, um den Menschen im Land zu helfen. Wir reden gerade mit den Banken, damit es Möglichkeiten gibt, Kredite und anderes zu verschieben.

oe24.TV: Sie haben gesagt, nach Ostern könnte es wieder eine Auferstehung geben?

Kurz: Je disziplinierter wir sind, desto sicherer können wir uns sein. Wir werden nicht von heute auf morgen wieder den Normalzustand erreichen, aber wir sind nach Rücksprache mit den Experten sehr ­optimistisch, dass wir schrittweise nach Ostern unser System hochfahren können. Seit Montag gibt es eine Gruppe bei mir im Team, die sich mit der Frage auseinandersetzt, wie wir das schaffen, ohne dass es zu einem sofortigen Anstieg der Ansteckungen kommt.

oe24.TV: Man sieht in dieser Krise auch: Die Österreicher halten zusammen.

Kurz: Die nächsten Wochen werden noch schwerer werden, denn es wird immer mehr Opfer geben. Aber wir erleben, dass Österreich zusammenhält wie noch nie. Darum bin ich sehr dankbar, in diesem Land leben zu dürfen, und vor allem den Österreicherinnen und Österreichern dankbar, dass sie so hart einen Beitrag leisten und Lebensretter sind.

oe24.TV: Also man kann Entwarnung geben: Vorerst kommt keine Verschärfung der Maßnahmen auf uns zu?

Kurz: Genau, die gibt es derzeit nicht. Aber wichtig ist, dass wir uns an die bestehenden Regeln halten. Bitte bleiben Sie zu Hause, und halten Sie Abstand! Es gäbe auch nicht mehr viele Möglichkeiten, wir haben fast schon alles ausgereizt, was wir tun können. Wir waren schneller als viele andere Länder. Das ist gut, jetzt heißt es: Durchhalten.

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