Höchste Infektionsrate der Welt

Österreichs Spitäler kurz vor Corona-Kollaps

15.11.2020

Am Limit: Steigen die Fallzahlen weiter so rasant an, droht schon bald der Covid-Kollaps in den Spitälern.

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© APA/TIROL KLINIKEN/SCHWAMBERGER
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Gemessen an der Einwohnerzahl hat Österreich derzeit die höchste Neuinfek­tionsrate weltweit. Am Freitag lag sie mit fast 831 Fällen pro einer Million Einwohner vor Tschechien, der Schweiz, Italien oder Slowe­nien. Während diese Länder die Kurve der Infektionen abflachen konnten, geht der Anstieg österreichweit ungebremst weiter.

Wie dramatisch sich diese Zahlen auf unser Gesundheitssystem auswirken, bestätigten zwei Ärzte bei einer Pressekonferenz im Kanzleramt. Das österreichische Gesundheitssystem sei wegen Corona „vollständig ausgelastet“, konstatierte Susanne Rabady, Vizepräsidentin der Allgemeinmediziner.

Auch Klaus Markstaller, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesie, schlägt Alarm: „Gelingt keine Trendumkehr, gibt es bald die Situation einer Triage“, sagte er.

Entscheidung. Triage bedeutet: In den bereits ausgelasteten Spitälern müssen Ärzte darüber entscheiden, welche Patienten eine intensivmedizinische Betreuung erhalten und welche nicht. Das heißt: Sie müssen über Leben und Tod urteilen. Barbara Friesen­ecker von der Uni-Klinik Innsbruck: „Geht’s so weiter, sind wir bald in dieser Situation“ (siehe Interview unten).

Stand Samstagmittag waren österreichweit 584 von rund 2.000 Intensivbetten mit Covid-19-Patienten belegt. Berücksichtigt man, dass sich die Neuinfektionen erst eine Woche später auf die Situation in den Intensivstationen auswirken, kann man sich ausrechnen, dass bis zur totalen Auslastung nur mehr wenige Tage Zeit bleiben. 4.026 Personen sind derzeit wegen Covid in Spitalsbehandlung, 7.063 Neuinfektionen gab es wieder innerhalb der vergangen 24 Stunden. Die meisten in OÖ (1.665).

Auch die Zahl der Todesopfer ist beunruhigend. Zum Vergleich: Der Rekordtag der ersten Welle war der 6. April. Damals wurden 31 Todesfälle registriert. Am Freitag, dem 13. November, waren es 53 – insgesamt sind seit Ausbruch der Pandemie 1.746 verstorben.

 

Ärztin warnt: ''Lage maximal zugespitzt''

Barbara Friesenecker ist Intensivmedizine­rin an der Universitäts­klinik in Innsbruck.

ÖSTERREICH: Wie dramatisch ist die Situation?

Barbara Friesenecker: Die Lage hat sich in den vergangenen zwei, drei Wochen maximal zugespitzt, nicht nur beim Personal, sondern auch bei den Intensivbetten. Wir müssen schon jetzt ordentlich jonglieren, um überhaupt Betten freispielen zu können. Durch die Bettensituation verlieren wir auch jenen Puffer, den wir sonst für Notfälle wie Herzinfarkte, Schlaganfälle oder Unfälle haben.

ÖSTERREICH: Es heißt, Sie könnten schon bald in die Lage kommen, in der eine Triage nötig ist?

Friesenecker: Prinzipiell ist es so, dass wir immer entscheiden müssen, für welchen Patient eine Intensivbehandlung sinnvoll ist und wer palliativmedizinisch betreut wird. Wenn Behandlungen keinen Nutzen mehr bringen, ziehen wir uns auch unter Nicht-Covid-Bedingungen zurück. Im März kamen wir nicht in diese extreme Überlastung. Auch sind wir jetzt noch in keiner ­Triage-Situation. Wenn der jetzige Lockdown aber zu spät greift und die Zahlen so zulegen, kommen wir in eine Überlastungssituation, in der wir eventuell auch triagieren müssten. Triage wegen einer Viruserkrankung ist völlig neu für uns alle.

ÖSTERREICH: Nach welchen Kriterien wird entschieden? Nach dem Alter?

Friesenecker: Nein, wir schauen die Gesamtsituation an. Die meisten Covid-Patienten bei uns sind jetzt zwischen 50 und 60. (wek)

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