Großer Anstieg bei Beiträgen mit NS- oder antisemitischen Bezügen
Österreichweit wurden von März 2018 bis März 2019 exakt 1.960 Hasspostings der Antidiskriminierungsstelle Steiermark gemeldet. Das bedeutet ein Plus von 61 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres. 1.005 der gemeldeten Beiträge wurden verfolgt oder angezeigt. 299 Postings waren NS- und antisemitische Parolen, so Leiterin Daniela Grabovac am Mittwoch.
Grabovac sprach bei der Bilanz von "Zwei Jahre BanHate-App" - mittels welcher Hasspostings gemeldet werden können - über "viel Unerwartes. Wir dachten aber nicht, dass Antisemitismus und Holocaustleugnung in dieser Breite vorhanden sind." In den zwei Jahren seit Einführung der App habe man 3.838 Meldungen von Hasspostings aus ganz Österreich erhalten. 1.966 davon wurden weiter verfolgt. 87,8 Prozent davon seien auf Facebook, 5,8 Prozent auf Online-Medien veröffentlicht worden. 3,9 Prozent wurden auf Google, 2,5 Prozent auf Medien wie Instagram oder Youtube abgegeben. Nutzer der BanHate-App seien derzeit 2.297 Personen. Die Daten würden am Server gut geschützt und doppelt verschlüsselt, sagte Grabovac auf Nachfragen.
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Hass-Poster verwenden raffinierte Formulierungen
Erschreckend sei, dass viele Holocaustleugner so raffiniert formulierten, dass jemand mit der Materie nicht Vertrauter dies auch glauben könnte. Grabovac nannte einige der Postings: "Das Rote Kreuz würde angeblich die Zahl von sechs Millionen ermordeten Juden als Schwindel bezeichnen, oder: "Stolpersteine seien eine Verschandelung". Ein Beitrag zeigte einen Gasthausraum, versehen mit dem Kommentar: "kauf bloß nicht beim Juden".
Der Leiter der Staatsanwaltschaft Graz, Thomas Mühlbacher, sagte, als er vor zehn Jahren übernommen habe, seien Delikte wie geschmierte Hakenkreuze selten gewesen. Die Täter wären meist Jugendliche unter Alkoholeinfluss gewesen. "Die Zahl der Delikte ist nun explodiert, aber am meisten besorgt macht die Form der Deliktbegehung. Und es sind auch nicht in erster Linie nur Jugendliche, sondern Erwachsene." Diese würden subtiler arbeiten, "man erkennt den Neonazi nicht mehr sofort an den Springerstiefeln", sagte Mühlbacher: "Das ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen." Die Delikte würden mittlerweile etliche Kräfte der Staatsanwaltschaft binden.
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"Es gibt mehrere Formen des Antisemitismus"
Heinz Anderwald, früherer Direktor des steirischen Landtags, sprach davon, dass es "ein Glück für uns Juden ist, dass es das Verbotsgesetz gibt. Es gab ja auch schon Bestrebungen das abzuschaffen." Für ihn gebe es mehrere Formen des Antisemitismus, den importierten aus der islamischen Welt, den rechten und auch den linken Antisemitismus. Er halte den Ethikunterricht für sehr wichtig. Auf die Journalistenfrage, ob er wie bei der Pressekonferenz in Graz auch auf offener Straße die Kippa trage, antwortete Anderwald: "Es gibt die Empfehlung, nicht als Jude erkenntlich zu sein. In Europa gibt es Städte, in denen es gefährlich ist, so etwas zu tun. Man wird binnen zehn Minuten geschlagen, sonst binnen einer Stunde. Ich trage die Kippa daher nur bei jüdischen Angelegenheiten", sagte Anderwald, der auch von Pöbeleien gegenüber einem Kippa-tragenden Glaubensbruder am Grazer Griesplatz berichtete. Und: "Die jüdischen Gemeinden verwenden alleine 20 Prozent ihres Budgets für Sicherheitsmaßnahmen, technischer wie personeller Natur."
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User müssten Stimme erheben
Die steirische Soziallandesrätin Doris Kampus (SPÖ) und der Grazer Integrationsstadtrat Kurt Hohensinner (ÖVP) waren sich einig, dass Hass und Diskriminierung in der Gesellschaft leider rasch zunähmen. Kampus plädierte dafür, dass man sich nicht an Hassparolen gewöhnen dürfe, sondern die Stimme erheben müsse. Sie sei sehr froh über die App, die Menschen in die Lage versetze, noch besser gegen Hasspostings einschreiten zu können. Hohensinner sagte, es sei sehr wichtig gewesen, dass die Antidiskriminierungsstelle einen Leitfaden entwickelt habe, an dem man sich orientieren könne: "Wo hört persönliche Meinungsfreiheit auf und wo beginnt das Strafrecht", sagte der Stadtrat. Die Möglichkeiten, solche Äußerungen auf sozialen Medien zu unterbinden, seien nicht einfach zu schaffen, Stichwort Klarnamen-Debatte, sagten die beiden Politiker. Er hoffe, dass die Anbieter rasch handeln, so Hohensinner, die persönliche Freiheit sei ihm aber auch wichtig. Der Stadtrat betonte, dass die Steiermark mit der App und dem Leitfaden eine Vorreiterrolle einnehmen würden.
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