20 Jahre Internet

So wird die Zukunft von Facebook & Co.

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Wegen Sicherheitsfragen: Experten glauben nicht an Zukunft von Social Networks.

Vor zwanzig Jahren (10. August 1990) wurde die erste Standleitung zwischen Wien und dem Genfer Kernforschungszentrum CERN installiert. Dieser Zeitpunkt gilt als offizieller Starttermin für das Internet in Österreich. Seither ist im WWW nahezu kein Stein auf dem anderen geblieben. Eine besondere Entwicklung vollzogen dabei die Social Networks. Für viele ist heutzutage ein Leben ohne Twitter, Facebook, MySpace, Xing und Co. undenkbar. Trotzdem gehen Experten davon aus, dass es Social Networks in der Form wie heute in Zukunft nicht mehr geben wird.

"Facebook-Hype ist bald vorbei"
Die Art und Weise, wie der Mainstream-User das Internet nutzt, wird sich in den kommenden zehn Jahren nämlich massiv verändern. Fragt man Trend- und Technikexperten, spielen dabei vor allem die Schlagworte Sicherheit und Sinnhaftigkeit eine bedeutsame Rolle. "Von Facebook wird in fünf bis sechs Jahren kein Mensch mehr reden", zeigte sich Zukunftsforscher Matthias Horx (im APA-Gespräch) überzeugt. "Soziale Netzwerke sind heute schon weit über ihren Hype hinaus." Massive Ausstiegswellen seien in den USA bereits jetzt Realität.

Den Grund sieht Horx vor allem in der benutzerunfreundlichen Beschaffenheit des World Wide Web, die den Computer derzeit noch zu einer "zeitfressenden Maschine macht, die überhaupt nicht das bringt, was sie soll". Die Prognose des Forschers: "Soziale Verlierer verbleiben in den Netzen - diejenigen, die nichts Wichtigeres zu tun haben, als sich ständig gegenseitig die Unterhosen zu zeigen."

Zwei-Klassen-Gesellschaft droht
Gerfried Stocker, künstlerischer Leiter des Ars Electronica in Linz befürchtet gar die Entwicklung einer Zwei-Klassen-Gesellschaft: "Social Media baut derzeit auf der gratis Info-Freigabe auf." Bleibe das Internet rein über den freien Markt geregelt, dürften kostenlose Dienste zunehmend mit einem Offenlegen der Privatsphäre "bezahlt" werden. "Wer es sich leisten kann, benutzt dann teure Foren", meint Stocker, der in den kommenden Jahren aber auch zwei andere Alternativen für möglich hält.

"Das erste Szenario ist auf jeden Fall, dass es wesentlich stärkere Reglementierungen geben wird", so der Experte. Mit dem Argument, dass Bürger und Wirtschaft geschützt werden müssten, sei dies für Staaten nur eine Frage des technischen Aufwands. "Lieber" wäre Stocker eine Revolution, bei der die Bürgerrechte aus dem realen Leben auf die virtuelle Welt übertragen werden. Denkbar sei dies durch ein Übernahme gewisser Infrastrukturen in den öffentlichen Bereich, was einen ungehinderten, freien Meinungsaustausch sicherstellen würde, erklärte Stocker. Genauso wie der Staat für Parkanlagen und Räume sorge, an denen Menschen unbeschränkt kommunizieren könnten, sollte er dies auch im Internet ermöglichen.

Cyberkriminelle als große Gefahr
Beeinflusst wird der bevorstehende Entwicklungsprozess laut beiden Experten maßgeblich von den immer deutlicher werdenden Gefahren und dem kriminellem Missbrauch des Internets, das dadurch seinen bisherigen Unschuldscharakter zunehmend verlieren wird: "40 Prozent der Menschen kaufen im Internet ein - aber trauen ihm nicht", kritisierte Horx. Die Folgen: "Wir werden in zehn Jahren so eine Art Cyberrecht haben." Und: "Es gibt einen Offline-Trend. Menschen gehen bewusst weg vom Internet und verweigern es. Die Frage ist, wie groß diese Bewegung wird." Am Beispiel Google Street-View "wird plötzlich klar, dass die neue Digitalität nicht vor dem Gartenzaun haltmacht. Wir werden noch viele solche Dinge erfahren", ist auch Stocker überzeugt.

Wirtschaftlicher Aspekt rückt in den Vordergrund
Der Blick auf mögliche Innovationen im Internet ist ebenfalls nicht unbedingt rosig: Getreu dem Sprichwort "Geld regiert die Welt" werden Entwicklungen gebremst, nur was sich wirtschaftlich lohnt wird forciert. Ein Beispiel dafür ist laut Stocker der nicht vorhandene Einsatz von Mobiltelefon-Ortungen für Stauprognosen. "In jedem Auto fährt mindestens ein Handy mit", erklärte Stocker. Schon jetzt könne man anhand dessen sehr präzise feststellen, wie viele Personen an einem Ort eingelockt seien bzw. sich auf einen Punkt zu bewegen. "Nur es gibt niemanden, der damit Geld machen kann", kritisierte er. In fast jedem kleinen Gegenstand sei heute schon ein internetfähiger Chip integriert, profitiert werde davon aber nur bei einem volkswirtschaftlichen Nutzen.

Zusätzlich dürfte das Festhalten an archaisch Verankertem für nur schleppende Fortschritte sorgen. Modernisierungen im Autosektor seien beispielsweise schwierig, betonte Horx. "Menschen lieben die jetzige Physikalität, vor allem Männer. Das Auto ist ein lange evolutionär gewachsener Gegenstand." Triumphmeldungen über die bald bevorstehende Fernsteuerung des Straßenverkehrs machen den Zukunftsforscher daher ebenso skeptisch wie der generelle Ruf des Internets: "Es ist ein großer Irrtum, dass das Internet wahnsinnig schnell ist. In Wirklichkeit ist das Internet wahnsinnig langsam", verurteilt Horx den gängigen Ruf des World Wide Web als reine "Selbst-Propaganda".

Seine Argumente dafür: Nur ungefähr 15 Prozent der Menschen nützen Social-Network-Plattformen und erst 20 Prozent leben im sogenannten Internet-Zeitalter. Die meisten Menschen gehen immer noch von ihrem Desktop online und verwenden keine mobilen Geräte. Bis das Internet als Hintergrundtechnologie für alle realisiert wird, dauert es laut Horx mindestens bis Mitte dieses Jahrhunderts.

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