Wegen Boykott

Adele könnte Streaming-Boom bremsen

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Neues Album bricht Verkaufsrekorde; Streaming-Nutzer wird es vorenthalten.

Es hätte ein so schön geradliniger Trend sein können: Das Streaming ist auf dem Vormarsch, Musik wird immer mehr als digitale Übertragung aus dem Netz gehört, statt gekauft zu werden. Doch dann gab die britische Sängerin Adele den Streaming-Diensten bei ihrem neuen Album "25" einen Korb, setzte nur auf den Verkauf von CDs und Downloads - und stellte prompt einen Absatzrekord auf.

Die große Frage ist nun, ob mehr bekannte Musiker dem Beispiel von Adele folgen und ihre neuen Songs zunächst den Kunden von Streaming-Diensten vorenthalten. Denn während die Streaming-Anbieter versprechen, dass auf lange Sicht die steten Einnahmen aus Online-Abrufen sogar mehr Geld als ein CD-Erfolg bringen können - Adele hat gerade auf einen Schlag kräftig Geld gemacht.

Adele ist nicht alleine
Allein in den USA schlug "25" mühelos einen über 15 Jahre alten Verkaufsrekord, als das Album in gerade einmal drei Tagen rund 2,433 Millionen Mal erworben wurde. Den Bestwert in der ab 1991 erstellten Rangliste des Marktforschers Nielsen hielt seit März 2000 die Platte "No Strings Attached" der Boygroup NSYNC mit 2,416 Millionen Verkäufen in der gesamten ersten Woche. Inzwischen liegt Adeles Album nach drei Wochen bei rund fünf Millionen Exemplaren im US-Markt.

Die britische Band Coldplay ging bei ihrem neuen Album "A Head Full Of Dreams" zwar nicht so weit wie Adele, aber die Nutzer des Streaming-Marktführers Spotify, der auch eine werbefinanzierte Gratis-Version hat, mussten eine Woche länger darauf warten.

Von Künstler zu Künstler unterschiedlich
In der Branche wird das ganze sehr genau beobachtet. "Es geht sicher immer auch um eine individuelle Analyse des Künstlers: Wo ist meine Fangemeinde? Über welche Zeiträume kann ich welche Erlöse generieren? Vergraule ich Kunden im Streaming-Bereich, oder schaffe ich damit vielleicht sogar ein neues Bewusstsein für den Wert von Musik?", sagt der Chef des Bundesverbandes Musikindustrie (BVMI), Florian Drücke.

"Die Streaming-Kunden wollen natürlich am liebsten alle Musik beim Dienst ihrer Wahl hören können", räumt er ein. Wie werden sie reagieren, wenn in der Zukunft tatsächlich für mehr neue Alben zusätzlich zu ihrem Abo bezahlt werden müsste?

Dabei gab es im deutschen Musikmarkt dank Streaming-Diensten erstmals seit Jahren wieder ein kräftiges Wachstum. Im ersten Halbjahr stieg der Umsatz um 4,4 Prozent auf 686 Millionen Euro. Dabei schossen die Streaming-Einnahmen im Jahresvergleich um mehr als 87 Prozent in die Höhe. Ihr Anteil am Gesamtmarkt stieg dadurch von 7,7 auf 12,8 Prozent.

Massenmarkt
Streaming ist auch in Österreich und Deutschland im Massenmarkt angekommen. Aldi (Hofer in Österreich noch nicht) brachte einen Service unter eigenem Namen , der vom US-Anbieter Napster bereitgestellt wird. Und zettelte gleich einen Preiskampf an mit 7,99 Euro im Monat, zwei Euro weniger als sonst üblich. Zugleich häufen sich Familien-Angebote, bei denen bis zu sechs Nutzer für 14,99 Euro im Monat Musik hören können. Ein weiteres Signal: Herbert Grönemeyer, der Streaming-Dienste lange gemieden hatte, machte seine Alben ab Dezember bei Apple Music verfügbar.

Doch bei aller Aufmerksamkeit für Musik aus dem Netz: Den Großteil des Geldes bringt der Branche in Deutschland nach wie vor die CD ein, zuletzt gut 60 Prozent. "Die CD ist im Moment noch das Rückgrat des Geschäfts. Falls es da einen größeren Einbruch geben sollte, wäre das für die Branche selbstverständlich ein Problem", sagt Verbandschef Drücke. Und das Geschäft hängt massiv von einer kleinen Schicht von Vielkäufern ab. Laut Studien des BVMI gaben 2014 lediglich 3,7 Prozent der Bevölkerung mehr als 80 Euro für Musik aus. Sie sorgten aber für gut 46 Prozent der Umsätze.

Gratis-Versionen nicht (überall) gern gesehen
Das bedeutet auch, dass jeder Abo-Kunde beim üblichen Preis von 9,99 Euro pro Monat der Branche in einem Jahr mehr Geld in die Kassen spült als viele aktive CD-Käufer. Ein Dorn im Auge sind vielen in der Industrie aber die Gratis-Versionen von Streaming-Diensten, bei denen ein Kunde zwar mit Einschränkungen leben muss, aber trotzdem über die Runden kommt, ohne einen Cent zu bezahlen.

So hat der Marktführer Spotify zwar nach jüngsten Zahlen von Sommer mehr als 75 Millionen Nutzer. Aber rund 55 Millionen von ihnen begnügen sich mit der Gratis-Version. Aus den Musikkonzernen gibt es deshalb Forderungen, die kostenlosen Angebote durch weitere Einschränkungen unattraktiver zu machen.

Die Streaming-Anbieter warnen, dass man Kunden dadurch eventuell in die Internet-Piraterie statt zu Abo-Zahlungen treiben würde. Zugleich hätten sie gern ein größeres Stück vom Kuchen, während aktuell 70 bis 80 Prozent der Einnahmen direkt an die Musikkonzerne weitergereicht werden. Das macht es zu einem Geschäft, bei dem die Nutzerzahl entscheidend ist: Die Grundkosten für den Betrieb der Plattform sind bei jeder Größe weitgehend gleich. Aber mit vielen Kunden hat man bessere Aussichten, sie wieder hereinzuholen. Zwei Anbietern, Simfy und Rdio, wurde die fehlende Masse in diesem Jahr zum Verhängnis.

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