Online-Händler musste Praktiken eingestehen – Entschuldigung an gestresste Mitarbeiter blieb aus.
Einige Zeit hatte es Amazon noch abgestritten, doch nun musste der weltgrößte Onlinehändler eingestehen, dass einige Lieferfahrer unter hohem Zeitdruck im stressigen Arbeitsalltag in Flaschen pinkeln.
Das Eingeständnis erfolgte im Rahmen einer Twitter-Auseinandersetzung mit einem US-Abgeordneten. In dem Streit ging es darüber, wo und wie Amazon-Beschäftigte ihre Notdurft verrichten. Nun räumte der Konzern von Multimilliardär Jeff Bezos in einer Mitteilung ein, dass Lieferfahrer mitunter keine Toiletten fänden und bestätigte somit erstmals Berichte, wonach Mitarbeiter unter hohem Zeitdruck im stressigen Arbeitsalltag in Flaschen urinieren.
"Eigentor"
Dass dies zunächst über einen offiziellen Twitter-Account von Amazon abgestritten wurde, sei ein "Eigentor" gewesen. Der Konflikt hatte vorletzte Woche mit einem kritischen Tweet des Abgeordneten Marc Pocan von der demokratischen Partei begonnen: "Mitarbeitern 15 Dollar Stundenlohn zu zahlen, macht einen nicht zu einem "fortschrittlichen Arbeitsplatz", wenn man gegen Gewerkschaften vorgeht und Beschäftigte in Wasserflaschen urinieren". Amazon hatte zunächst in ungewöhnlich scharfem Ton bei Twitter gekontert: "Sie glauben nicht wirklich die Sache mit dem Pinkeln in Flaschen?". Und weiter: "Wenn das wahr wäre, würde niemand für uns arbeiten."
Keine Entschuldigung an Mitarbeiter
Nun zeigte sich der Bezos-Konzern zwar einsichtig: "Wir entschuldigen uns beim Abgeordneten Pocan". Eine Entschuldigung an die betroffenen Mitarbeiter enthält das Statement zwar nicht, allerdings kündigte Amazon an, das Pinkelproblem in Angriff nehmen zu wollen. "Wir wissen bisher noch nicht wie, aber wir werden nach Lösungen suchen." Das Unternehmen betonte jedoch auch, dass es sich um ein branchenweites Problem handle, das sich nicht auf Amazon beschränke und sich durch die Schließung öffentlicher WCs in der Corona-Krise verschärft habe.
Kritik an Arbeitsbedingungen
Amazon war in den vergangenen Wochen sogar noch stärker unter Druck geraten. Kurz nach dem Disput mit dem Politiker Pocan hatte das Investigativportal "The Intercept" geleakte Dokumente einer Amazonlogistics-Managerin veröffentlicht, in denen unter anderem klargestellt wird, dass keine Sackerln mit "menschlichen Fäkalien" in den Lieferzentren geduldet werden. Amazon äußerte sich dazu auf Nachfrage zunächst nicht und ging auch in der aktuellen Stellungnahme nicht darauf ein. Die Arbeitsbedingungen des Konzerns standen zuletzt besonders stark im Fokus, da durch eine Abstimmung in Alabama erstmals eine US-Gewerkschaft bei Amazon Einzug erhalten könnte.