Fan-Nostalgie & Milliardenflut
Apple ein Jahr ohne Steve Jobs - die Bilanz
04.10.2012
Hätte der Apple-Gründer das Maps-Debakel verhindern können?
Vor genau einem Jahr - am 5. Oktober 2011 - starb Apple-Gründer Steve Jobs (Bild oben), der Mann hinter den großen Erfolgen wie iPhone und iPad. Seine Nachfolger um Tim Cook versuchen einen schwierigen Balanceakt zwischen seinem Erbe und neuen Ideen.
Gäbe es mit Jobs das Maps-Debakel nicht?
"Mit Steve Jobs wäre das nicht passiert!", lautet das Leitmotiv vieler Kommentare zu Apples Debakel mit dem fehlerbehafteten eigenem Kartendienst
. Selbst die "New York Times" ließ sich zu der Frage hinreißen, ob der legendäre Firmengründer wohl die falschen Adressen-Markierungen und zerknüllten 3D-Bilder toleriert hätte. Die aktuelle Debatte um den seltenen Apple-Fehltritt belegt, wie groß die Jobs-Nostalgie ein Jahr nach seinem Tod ist - und dass Erinnerung verklärt: Denn auch unter dem "iGod" lief bei weitem nicht alles rund.
So verpatzte Apple 2008 den Start des Online-Speicherdienstes MobileMe durch massive technische Probleme. Der für seine Wutausbrüche berüchtigte Jobs tobte und tauschte die Führung des MobileMe-Teams aus. Zwei Jahre später folgte das "Antennagate": Vor allem US-Nutzer klagten massenhaft über Empfangsprobleme beim iPhone 4 mit der ungewöhnlichen Design-Lösung, die Antennen in einem Metallring an der Außenkante unterzubringen.
Damals dauerte es mehrere Wochen, bis Apple auf die wie ein Schneeball anwachsende Kritik reagierte: Jobs lud zu einer Pressekonferenz, in der er das iPhone verteidigte und angebliche Schwächen von Konkurrenzgeräten anprangerte. Die aufgeregten Kunden wurden schließlich mit einer kostenlosen Schutzhülle für das iPhone besänftigt. Bei den aktuellen Karten-Problemen reagierten die Jobs-Nachfolger viel schneller. Apple gelobte schon nach einem Tag Besserung. Und eine Woche später folgte ein öffentliches "Sorry" des neuen Konzernchefs Tim Cook, gepaart mit der außergewöhnlichen Ermutigung, vorerst ruhig mal auf Konkurrenzdienste etwa von Google oder Nokia umzusteigen.
Mehr Offenheit ist größter Unterschied
Diese größere Offenheit ist der auffälligste Unterschied zwischen dem Apple der Jobs-Ära und der Handschrift seines Nachfolgers Cook. Nach abermaligen Vorwürfen der Ausbeutung chinesischer Arbeiter beim Auftragsfertiger Foxconn ließ der Konzern erstmals externe Prüfer in die Betriebe und veröffentlichte eine Liste aller Zulieferer. Der Austritt aus einem Umweltsiegel wurde schnell wieder zurückgenommen. Und die Aktionäre bekommen die langersehnte Dividende, die Jobs ihnen immer verweigert hat - angesichts des auf rund 120 Mrd. Dollar (93 Mrd. Euro) angewachsenen Geldberges war die bisherige Knausrigkeit allerdings auch immer schwerer zu erklären.
Tim Cook scheint also ganz nach dem letzten Geheiß seines Mentors zu agieren: "Bloß nicht sich die Frage stellen, was würde Steve tun." Der Bruch mit scheinbaren bisherigen Dogmen geht bis in technische Details: Das iPhone 5 bekam nach fünf Jahren erstmals einen größeren Bildschirm, für die nächsten Wochen wird mit einem kleineren iPad-Modell gerechnet, während Jobs die Geräteklasse einst als "Totgeburt" abgestempelt hatte.
Sein Geist ist allgegenwärtig
Und doch schwebt der Geist des Gründers immer noch über allem, was Apple heute tut: Die strategischen Weichen - iPhone, iPad, Mac-Design, der Online-Speicher iCloud als Herzstück der Apple-Welt - sind alle noch unter Jobs gestellt worden. Auch das neue iPhone 5 wirkt mehr als eine Weiterentwicklung denn als Vorstoß in unbekanntes Terrain. Die erste große eigene Innovation oder der erste große Fehler von Cook und seiner Mannschaft müssen erst noch kommen.
Als solche ultimative Bewährungsprobe zeichnet sich der Vorstoß ins Fernsehgeschäft ab. Seit Monaten wird über den ersten Apple-Fernseher spekuliert. Aber immer noch scheint das Ausbleiben eines Inhalte-Deals mit den mächtigen US-Kabelbetreibern ein Bremsklotz zu sein. Schon der charismatische Jobs hatte jahrelang vergeblich versucht, ihre Blockade zu brechen - und das Fehlen seines berühmten "realitätsverbiegenden Kraftfelds" sei für Apple jetzt das größte Handicap, urteilte etwa ein Kommentator im "Wall Street Journal". Cook sei ein starker Manager - aber eben kein Steve Jobs. "Wenn Steve Jobs lebte, würde er Tim Cook feuern", erklärte kurzerhand das Magazin "Forbes".
Jobs war der detailversessene Visionär, der Apple mit einer einzigartigen Serie von Innovationen aus der Beinahe-Pleite auf den Industrie-Olymp beförderte. Er überzeugte im Vorfeld des Starts von iTunes persönlich Musiker wie Bono von U2 oder Neil Young, ihre Scheu vor der Digitalisierung der Musik abzulegen und ihre Songs für den Apple-Musikladen zur Verfügung zu stellen. Legendär ist auch die Geschichte, wie er den US-Konzern Corning dazu brachte, binnen weniger Monate die Produktion einer völlig neuen Glassorte für das iPhone auf die Beine zu stellen.
Cook will Jobs gar nicht imitieren
Der 51-jährige Cook versucht ganz bewusst nicht, Steve Jobs zu imitieren. Die Präsentation des iPhone 5 Anfang September wäre seine Chance gewesen, voll ins Rampenlicht zu treten - das Vorgängermodell hatte Cook noch im Schatten des Übervaters vorgestellt, Jobs starb einen Tag später an den Folgen seines langjährigen Krebsleidens. Doch Cook hielt sich auch jetzt weiter zurück und überließ erneut viel Raum seinen Top-Managern wie Marketing-Mann Phil Schiller. Die Botschaft: Das neue Apple wird von einem Team statt einer einzelnen Lichtgestalt geführt. "Ich vermisse Steve jeden Tag", bekannte Cook im Mai in einem der seltenen Interviews. Aber jetzt bestimmt er die Regeln in Cupertino.
Zurück zum Maps-Debakel
Zugleich könnte das Karten-Debakel die Gewichte in der Apple-Spitze verschieben: Der Dienst fällt als Teil des Betriebssystems iOS in die Verantwortung des ehrgeizigen Scott Forstall, dem Apple-Kenner durchaus auch Chef-Ambitionen nachsagen. Das öffentliche Fehlereingeständnis von Cook macht Forstalls Position nicht gerade stärker. Allerdings habe einst auch der große Steve Jobs erst wenige Wochen vor der iPhone-Vorstellung überhaupt eine Karten-App in Auftrag gegeben, die dann schnell zusammengezimmert worden sei, erzählten frühere Mitarbeiter jetzt der "New York Times".
(Quelle: dpa)