Zahlreiche Bibliotheken stehen vor dem Problem, wie man digitale Daten für die kommenden Generationen aufbewahren kann.
Mit vollem Digitalkamera-Speicherchip kommen derzeit zahlreiche Urlauber wieder in ihre Heimat zurück - doch dass noch deren Enkel in einigen Jahrzehnten die mitgebrachten digitalen Schnappschüsse bewundern können, ist unwahrscheinlicher, als es vielen lieb ist. Denn wer seine Fotos nicht ganz veraltet ausgedruckt auf Papier aufbewahrt, steht vor einem Problem, das vor allem abseits des Privaten immer dringlicher wird: Bibliotheken, Staatsarchive und Verlage sehen sich mit der zwar kaum öffentlich bewussten, doch brennenden Frage konfrontiert, wie man digitale Daten für die kommenden Generationen aufbewahren kann.
Speichermedien wenig haltbar
Derzeit drohen durch wenig haltbare
Speichermedien, die sich verändernden Datenformate oder den Fortschritt in
der Computertechnik nicht nur private Urlaubs-Fotos und Familienfest-Videos
verloren zu gehen, sondern vieles dessen, was unsere Zeit an Wissen
produziert. Wer kürzlich seine einige Jahre alte Uni-Abschlussarbeit oder
die ein halbes Jahrzehnt alten Fotos der ersten Digitalkamera ansehen
wollte, weiß: Manchmal gibt es das Programm gar nicht mehr, mit dem sich
nicht mehr ganz taufrische Dateien anzeigen lassen. Oder sie sind auf
veralteten Speichermedien (etwa Disketten) abgespeichert und ohne das
entsprechende Gerät (Diskettenlaufwerk) nicht abrufbar. Oder es ist
irgendwann schlicht eine Festplatte oder CD-ROM kaputt gegangen, und die
Sicherheitskopie ist mit der Erinnerung an jenen speziellen Ort
verschwunden, an dem man diese aufbewahrt, um sie ganz sicher nie zu
verlieren. Da hat man es paradoxerweise oft leichter, die Aufnahmen der
Urgroßmutter im Fotoalbum oder die Briefe der Großeltern durchzublättern,
als die viel jüngeren digitalen Daten zu sichten.
Problem: Langzeitarchivierung
Genauso in den großen
Wissensinstitutionen: So hat die Österreichische Nationalbibliothek jüngst
Teile ihres Papyrus-Bestandes digitalisiert und online gestellt - wie diese
digitalen Daten jedoch auch nur einen Bruchteil der Zeit überstehen werden,
die die Jahrtausende alten Papyri schon überlebt haben, wird derzeit erst
erforscht. Denn was zu Hause mit ein bisschen Sorgfalt noch zu lösen ist
(durch Ausdrucken, Updaten, Umspeichern), ist etwa bei Gerichtsakten,
wissenschaftlichen Publikationen oder auch aufwendig digitalisieren Büchern
und Kunstwerken eine entscheidende Frage geworden: Nachdem viele
Bibliotheken beachtliche Summen in groß angelegte Digitalisierungsprojekte
gesteckt haben und auch neue wissenschaftliche Arbeiten oder die
Verwaltungsdaten des Staates zunehmend nur noch digital gegeben sind, stehen
nun die eigentlichen Probleme der digitalen Langzeitarchivierung erst bevor.
Fünf Milliarden Gigabyte Daten
Und da sind viele Fragen
offen: Denn regelmäßiges Umkopieren auf neue Speichermedien ist nicht alles.
Wie man die digitalen Daten so aufbewahrt, dass sie nicht nur weiter
vorhanden, sondern auch für immer lesbar bleiben, und das noch dazu auf
finanzierbare Weise, ist derzeit ungeklärt. "Da ist die Lösung
weltweit noch nicht gefunden", sagt die Generaldirektorin der
Österreichischen Nationalbibliothek, Johanna Rachinger. Alleine die
Datenmengen, die es zu bewahren gelte, sind immens: Derzeit verdoppelt sich
die wissenschaftliche Information alle ein bis zwei Jahre, 2002 kamen
weltweit fünf Milliarden Gigabyte (das sind fünf Exabyte) hinzu. Das
entspricht laut Max Kaiser von der ÖNB der fünftausendfachen
Informationsmenge aller 370 Millionen Bücher sämtlicher Bibliotheken
Deutschlands. Und lediglich 0,01 Prozent dieser neuen Daten lag in
gedruckter Form vor, 92 Prozent war nur auf magnetischen Speichern gesichert
- und dass diese nicht ewig halten, weiß jeder Computerbesitzer aus eigener
Erfahrung.