Nationale Sicherheitsdienste beißen sich die Zähne aus. Deshalb kommt RIM unter Druck.
Sicherheitsdienste zahlreicher Staaten beißen sich an den beliebten Blackberry-Telefonen derzeit die Zähne aus. Das hat für Blackberry-Nutzer auch negative Konsequenzen (siehe unten). Von den Geräten verschickte Nachrichten bleiben ihnen verborgen. Das liegt daran, dass der Hersteller Research in Motion (RIM) einige Sachen komplett anders macht als die mittlerweile sehr zahlreiche Konkurrenz. Die Telefone verschicken die E-Mails und andere Nachrichten zwar wie ebenso wie beispielsweise das iPhone von Apple über das Internet. Doch verschlüsseln Blackberrys den Schriftverkehr sofort beim Absenden und machen ihn damit für neugierige Nachrichtendienste oder Industriespione unlesbar. Nach Angaben von RIM kommen auch die schnellsten Rechner der Verschlüsselung nicht auf die Spur. Die zu knacken würde einige Milliarden Jahre dauern, so die Firma. Damit gehen die E-Mails ganz einfach im Hintergrundrauschen des Internets unter.
Historische Gründe
Der Grund für die Besonderheiten liegt
in der Entstehungsgeschichte des Blackberry. Ursprünglich wurde das Gerät
ausschließlich für den E-Mail-Verkehr entwickelt. Seinerzeit, Anfang des
Jahrtausend, war RIM damit Trendsetter und musste alle dafür notwendigen
Programme, Standards und Computer selbst entwickeln - und hält an dieser
Sonderposition bis heute fest. So laufen Blackberrys beispielsweise nur mit
dem gleichnamigen Betriebssystem.
Nur zwei Zentren
Eine zweite Besonderheit ist die zentrale
Struktur des Blackberry-Netzes. RIM wickelt den E-Mail-Verkehr weltweit über
zwei eigens dafür aus dem Boden gestampfte Rechenzentren ab, eines in Kanada
für Nordamerika und das zweite in Großbritannien, in dem die elektronische
Post aus dem Rest der Welt ankommt. Behörden anderer Länder haben somit
keinen Zugriff auf die Daten. Kritiker bemängeln jedoch, dass eventuell die
Sicherheitsbehörden der beiden Länder, in denen die Server stehen, unbemerkt
die Korrespondenz aus aller Welt mitlesen könnten. RIM weist das von sich,
doch trauen einige Regierungen und internationale Organisationen dem
Sicherheitsversprechen offensichtlich nicht und schreiben ihren Angestellten
andere Kommunikationsgeräte vor. Es könnte auch daran liegen, dass viele
Manager und Politiker lieber ein schickes iPhone in der Tasche tragen
wollen.
RIM steht aber deshalb in mehreren Ländern unter Druck, den Datenverkehr seines Smartphones stärker kontrollieren zu lassen. Im folgenden ein Überblick über den Stand der Diskussion in den verschiedenen Staaten:´
- INDIEN: Einem Zeitungsbericht vom Dienstag zufolge ist RIM bereit, indischen Sicherheitsdiensten eine Überwachung des Datenverkehrs zu gewähren. Demnach sagte der Hersteller zu, die technischen Details für Firmenmails und binnen zwei Wochen Zugang zu Privatkunden-Daten zu gewähren. Die indische Regierung vermutet, dass der Anschlag in Bombay, bei dem vor zwei Jahren 116 Menschen getötet wurden, über Blackberrys geplant wurde.
- CHINA: Der Markteintritt RIMs hat sich um zwei Jahre verzögert, weil die Regierung in Peking Sicherheitsbedenken hat. Als die Geräte ab 2008 verfügbar waren, fanden sie nur wenige Abnehmer. China beschränkt den Zugang ausländischer Firmen zu seinen Telekommunikationsnetzen und kontrolliert den Informationsfluss in der Gesellschaft.
- VEREINIGTE ARABISCHE EMIRATE: Die Emirate wollen die Internet-basierten Dienste des Blackberry ab Oktober sperren und begründen dies mit Sicherheitsbedenken, da die Daten direkt ins Ausland übermittelt würden. Nach Angaben der Emirate verhandelt die Regierung mit RIM seit drei Jahren ergebnislos über die kritischen Punkte. Im vergangenen Jahr hat die staatliche Telekomfirma Etisalat nach RIM-Angaben versucht, Spionagesoftware auf den Handys zu installieren.
- SAUDI-ARABIEN: In dem Königreich soll ab Freitag der Messenger-Dienst des Blackberry gesperrt werden. Der Dienst ist besonders bei Jugendlichen beliebt: Er ist in dem konservativen islamischen Land für viele die einzige Möglichkeit, zu flirten und Kontakt zum anderen Geschlecht aufzunehmen.
- KUWAIT: Kuwait will dem Beispiel der anderen arabischen Staaten nicht folgen. Einem Zeitungsbericht zufolge soll aber der Blackberry Zugang zu 3.000 Pornoseiten gekappt werden. RIM habe dazu bereits eingewilligt, heißt es.
- USA: US-Präsident Barack Obama musste hart darum kämpfen, seinen heiß geliebten Blackberry mit ins Oval Office zu nehmen. Allerdings liegt das an den besonderen Sicherheitsanforderungen für US-Präsidenten: Baracks Vorgänger George Bush verzichtete deswegen während seiner Amtszeit ganz auf E-Mails.
- GROßBRITANNIEN: Auf der Insel gelten Blackberrys als so sicher, dass auch sicherheitsrelevante Geheiminformationen über die Geräte versandt werden dürfen - sogar solche Informationen, deren Bekanntwerden Militäreinsätze in Schwierigkeiten bringen könnten. Großbritannien ist allerdings neben Kanada das einzige Land, in dem RIM ein Rechenzentrum unterhält. Computerexperten schließen nicht aus, dass in diesen beiden Ländern grundsätzlich ein Zugriff auf die Daten möglich ist.
- FRANKREICH: Präsident Nicolas Sarkozy und seine Minister müssen seit 2007 auf Blackberrys verzichten: Ein Sicherheitsdienst befürchtet, dass möglicherweise Geheimdienste mitlesen können, weil die Server in Kanada und Großbritannien angesiedelt sind.
Die Europäische Kommission indes hat sich unter anderem aus Sicherheitsgründen gegen Blackberrys für ihre 32.000 Mitarbeiter entschieden. Stattdessen werde auf Apples iPhone und die Smartphones von HTC zurückgegriffen, sagte ein Sprecher, ohne Einzelheiten zu nennen. Experten gehen davon aus, dass sich die europäischen Bedenken daran entzünden, dass RIM alle Datenströme über die erwähnten Rechenzentren in Kanada und Großbritannien laufen lässt. Damit sei zumindest in diesen Ländern - und auch von seiten der USA - ein Zugriff auf die Daten möglich. Das Innenministerium in Berlin legt den Bundesministerien nahe, auf Blackberrys zu verzichten. Grund seien ebenfalls Sicherheitsbedenken.