Kerngeschäft wächst sich plötzlich zum Risiko für das soziale Netzwerk aus.
Die Wolken über dem Geschäftsmodell von Facebook sind seit dem Wochenende dunkler geworden. Die jüngste Datenaffäre rund um die britische Analysefirma Cambridge Analytica und ihre Unterstützung von US-Präsident Donald Trump im Wahlkampf wirft ein Schlaglicht auf die Risiken für den US-Konzern, der seine Milliarden vor allem mit Werbung verdient, die auf seine mehr als zwei Milliarden Nutzer direkt zugeschnitten ist.
"Facebooks Sinn und Zweck ist es, Daten zu sammeln. Das öffnet Tür und Tor für Manipulation", sagt der Vizedirektor des Digital Society Institute (DSI) in Berlin, Martin Schallbruch. Weltweit schauen Politiker, Datenschutz-Beauftragte und Behörden Facebook immer genauer auf die Finger. Der jüngste mediale Aufschrei wegen des unerlaubten Zugriffs auf Informationen von 50 Millionen Nutzern dürfte Facebook unter Zugzwang setzen, den Datenschutz auszuweiten. "Der Regulierungsdruck steigt", meint auch Schallbruch.
Neue EU-Richtlinie
In Europa soll dafür ab Ende Mai die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sorgen. Verstöße können dann mit hohen Geldstrafen geahndet werden. Wäre der mutmaßliche Datenklau nach dem Inkrafttreten der neuen Regeln passiert, hätte es Facebook "vier Prozent seines Gesamtumsatzes gekostet", sagte der österreichische Datenschutz-Aktivist und Facebook-Kritiker Max Schrems . Gemessen am Umsatz des vergangenen Jahres von 40,7 Milliarden Dollar wären das 1,6 Milliarden Dollar.
Wenn europäische Nutzer oder Firmen involviert sind, können Verstöße gegen den Datenschutz für den US-Konzern also künftig teuer werden. Zudem zwingt die Verordnung Facebook dazu, Mitgliedern die Möglichkeit zu geben, auf personalisierte Online-Werbung zu verzichten. Analysten der Deutschen Bank schätzen, dass knapp ein Drittel der EU-Nutzer dies auch tun werden. Dies dürfte nach ihrer Einschätzung die Anzeigenpreise bei Facebook um bis zu 50 Prozent drücken.
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Datenauswertung machte Facebook erst so stark
Die massenhafte Auswertung und das Filtern der Nutzerinformationen haben Facebook erst zu dem Tech-Giganten von heute gemacht, zu dem neben dem Internetnetzwerk auch die Plattformen Instagram und Whatsapp gehören. Facebook-Chef Mark Zuckerberg sucht fieberhaft nach einem Befreiungsschlag. Er will weder die Behörden noch die Werbekunden oder die Nutzer vergrätzen. Regelmäßig werden Veränderungen im zentralen Newsfeed getestet. Facebook-Vizepräsident Andrew Bosworth sagte, das Unternehmen habe bereits 2014 beschlossen, "weniger Daten herauszugeben, besonders über Freunde".
Probleme mit Cambridge Analytica hat Facebook seit längerem, die Zusammenarbeit wurde aber erst vergangene Woche aufgekündigt. Laut einem Informanten, der lange für die Firma arbeitete, soll sie Trump dabei geholfen haben, mittels personalisierter Facebook-Werbung Wahlentscheidungen vorherzusagen und zu beeinflussen. "Tatsache ist, dass Facebook die Kontrolle über die Daten verloren hat und nicht genau beobachtet hat, was Dritte damit taten", sagt US-Datenschutzexperte Scott Vernick von der Kanzlei Fox Rothschild. In den USA forderte unter anderem Senator John Kennedy Facebook-Chef Zuckerberg auf, dem Kongress zu den Aktivitäten seines Konzerns Frage und Antwort zu stehen.
Experten fordern intarnationale rechtliche Standards
"Ich sehe die Notwendigkeit, dass sich die westlichen Industrieländer auf gemeinsame rechtliche Standards für Online-Plattformen wie Facebook verständigen, mit Hilfe derer sie mehr Kontrolle ausüben können, ohne die Konzerne zu zerschlagen", sagt Schallbruch. Die Unternehmen spielten schließlich eine wesentliche Rolle bei der Beschleunigung von grenzüberschreitenden Innovationen. "Gesetze sind national, Daten sind es nicht", zeigte auch der EU-Datenschutzbeauftragte Giovanni Buttarelli am Dienstag in Brüssel auf. Deshalb müssten auch internationale Lösungen gefunden werden. Dieser Fall sei nur die Spitze des Eisberg, sagte Buttarelli. Er zeige, wie Daten zur Manipulation genutzt werden könnten. "Das Problem ist real und riesig."