CES-Special
Handys & Tablet-PCs versus E-Book-Reader
08.01.2010
Neue Alleskönner könnten dem derzeitigen E-Book-Reader-Boom den Garaus machen.
Der aktuelle Boom von E-Book-Readern - wie Amazon's Kindle, der Nook von Barnes & Noble, Modelle von Sony, der txtr und von Samsung - könnte in Kürze wieder vorbei sein. Es droht also das Ende vor dem eigentlichen Anfang.
Denn die Lesegeräte für digitale Inhalte bekommen starke Konkurrenz: Auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas versuchen derzeit etliche Hersteller, mit Lesegeräten für digitale Bücher gegen Amazons Verkaufsschlager zu punkten. Aber in Wahrheit bedroht den Kindle eine ganz andere Gefahr: Ein Schwung neuer Alleskönner soll nicht nur Bücher und Zeitungen, sondern auch Filme, Websites und Spiele auf die Displays bringen. Sobald die Hardware-Preise auf ein Massenmarkt-taugliches Niveau sinken, könnten Kindle und Co. den Kürzeren ziehen.
Zurzeit hält der Boom noch an
Derzeit ist keine der
Gattungen vom Aussterben bedroht - im Gegenteil. Zur Gadget-Parade CES
präsentieren die Hersteller mehr Varianten denn je. Lesegeräte gibt es jetzt
in Taschenbuchgröße oder Magazinformat, in Schwarz-Weiß oder Farbe, mit
Tastatur und Touch-Display oder ganz schlicht. Neben Spezialisten aus der
Nische haben auch längst die großen Konzerne das Geschäft entdeckt. Samsung
etwa zeigte zwei Reader, mit denen Nutzer direkt auf Googles gigantische
digitale Bibliothek zugreifen können.
Multifunktionale Alleskönner
Doch die Hersteller werfen
auch immer mehr Lifestyle-Objekte auf die Markt, die ebenso handlich sind
wie E-Reader, aber deutlich mehr können. "Die Lücke zwischen
klassischen Handys und klassischen Computern wird über die nächsten Jahre
mit einer riesigen Anzahl neuer Geräte gefüllt", sagt Rüdiger
Spies, Analyst beim Marktforscher IDC. Besonders die Tablet-Computer
verzücken Technik-Fans: Flache Flundern, die ähnlich wie Multimedia-Handys
per Fingerzeig auf dem berührungsempfindlichen Bildschirm gesteuert werden.
Mit ihnen kann man im Internet surfen, Filme gucken, spielen - oder bequem
lesen.
Tablet-PCs
In der Glücksspielmetropole Las Vegas übertreffen
sich die Aussteller mit derartigen Spielereien. Microsoft-Chef Steve Ballmer
machte mit einem Windows-7-Rechner
von Hewlett-Packard den Auftakt. LG Electronics und Dell zeigten
Hybrid-Geräte, deren Form modernen Smartphones ähnelt, die aber mit 13
Zentimetern Bildschirm-Diagonale deutlich mehr Platz bieten. Wer auf dem
iPhone Nachrichten liest - und das tun viele Apple-Jünger - wird das sicher
komfortabel finden.
Das wohl am meisten erwartete Gerät aus diesem Segment gibt es offiziell noch gar nicht: Sollte Apple - wie hartnäckig kolportiert - Ende Jänner seinen Tablet-Computer vorstellen, könnten die treuen Fans des Konzerns dafür sorgen, dass die Gattung endgültig die digitale Welt erobert.
Akkulaufzeit & Preise stellen noch ein Problem dar
Ein
Ersatz für die Lesegeräte sind die Tablets - noch - nicht. Dank sparsamer
Technologie hält der Akku der E-Reader tagelang. Die elektronische Tinte
unterscheidet sich nur wenig vom bedruckten Papier und schont somit das
Auge. Und zumindest die Einstiegsmodelle sind mit 250 bis 300 Euro deutlich
billiger.
Doch die Nachteile der Sofa-Surfbretter schrumpfen im Takt der Gigahertz-Prozessoren. Im Vergleich zu früheren Versionen hat die neue Tablet-Generation ein starkes Rechen-Herz und kinderleicht bedienbare Touch-Displays. Und dank Breitband-Internet laden die Nutzer binnen Sekunden Bücher und Filme herunter. Mit den Preisen halten sich die Hersteller noch zurück. "Aber die Hardware wird kontinuierlich billiger", sagt der Medienberater Joachim Blum. Blum sieht Kindle, Txtr und Co. daher in der Nische feststecken: "In einer Übergangszeit wird es noch reine Lesegeräte geben. Ich glaube aber, dass sie langfristig mit anderen Geräten verschmelzen." Nur als Billigteil für Lesepuristen werde der reine E-Reader noch eine Zukunft haben. Den Kompaktcomputern gehöre die Zukunft.
Aussterbende Art?
Rüdiger Spies pflichtet bei: "E-Reader
in der heutigen Form sind ein vorübergehendes Phänomen, wie früher die PDAs."
Die digitalen Assistenten waren in den 90er Jahren höchst populär - bis die
Handys ihre Funktion übernahmen und den Markt pulverisierten. Allenfalls als
billiges Einstiegsgerät könnten die E-Reader in ein paar Jahren noch
attraktiv sein. Die Gerätehersteller sehen das naturgemäß anders. Sie führen
nicht nur den niedrigeren Preis, sondern auch ein angenehmeres Lesegefühl
ins Feld.
Amazon & Apple sind Gewinner der Entwicklung
Zwei große
Gewinner dieser Entwicklung zeichnen sich jetzt schon ab: Apple und Amazon.
Apple, inzwischen der weltgrößte Musikverkäufer, hat mit mit seinem iTunes
Store eine boomende Vertriebsplattform für digitale Inhalte. Und Amazon
bemüht sich, seinen großen Bücherfundus auch auf anderen Geräten als dem
Kindle anzubieten - etwa mit spezieller Software für PC und iPhone. Sollten
Lesegeräte einmal verschwinden - der Handelsriese würde es, anders als die
reinen Hardware-Anbieter, locker verschmerzen.