Flaggschiff im großen Test

Huawei Mate 20 Pro stürmt an Android-Spitze

23.10.2018

Neues Top-Smartphone ist derzeit komplettestes Gerät im Google-Universum.

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Vor exakt einer Woche hat Huawei mit dem Mate 20 Pro sein neues Flaggschiff-Modell präsentiert. In unserem Kurztest konnte das Smartphone bereits überzeugen. Nach einer Woche intensivem Testeinsatz kann nun ein endgültiges Fazit über die Qualitäten des Geräts gezogen werden. Wie sich das Mate 20 Pro im Alltag schlägt und weshalb es den Sprung auf den Android-Thron geschafft hat, lesen Sie im folgenden Testbericht. Dieser baut auf dem Ersttest auf, wurde aber um die Langzeitergebnisse und eine Diashow erweitert.

Qualität und Display

Optisch ist Huawei mit dem Mate 20 Pro ein großer Wurf gelungen. Vorne und seitlich vereint es eigentlich die zentralen Elemente des iPhone XS  (breite Notch) und des Galaxy S9+  (abgerundetes Display). Insgesamt wirkt das nach IP68-Standard staub- und wasserfeste Smartphone wie aus einem Guss. Die Rückseite ist mit ihrer zentral angeordneten Triple-Cam im Quadratlook ein echter Hingucker. Das schlichte Design wird auch von keinem Fingerabdrucksensor gestört. Vorder- und Rückseite aus Glas werden per Metellrahmen verbunden. Mit den abgerundeten Ecken liegt das sehr dünne Gerät auch gut in der Hand und wirkt deutlich kompakter, als es mit Maßen von 157,8 x 72,3 x 8,6 mm eigentlich ist. Vor lästigen Fingerabdrücken auf der Rückseite ist man jedoch nicht gefeit. Mit längeren Fingern gelingt die Bedienung auch mit einer Hand. Huawei bietet sogar eine spezielle Einhandbedienung an. Zudem kann man die virtuelle Android-Leiste komplett deaktivieren. Dann lässt sich das Mate 20 Pro – genau wie das iPhone XS – rein über Wischgesten bedienen. Für Android-User ist das aber gewöhnungsbedürftig. Die wenigen manuellen Tasten (Lautstärkeregler und Ein-/Ausschalttaste) sind in der rechten Gehäuseseite installiert. An der Verarbeitungs- und Materialqualität gibt es nichts Auszusetzen. Hier spielen die Chinesen in der absoluten Top-Liga mit. Gleiches gilt für das AMOLED-Display mit 2K+ Auflösung (3.120 x 1.440 Pixel). Dank der hohen Helligkeit bleibt das Mate 20 Pro auch bei direkter Sonneneinstrahlung gut ablesbar. Texte werden sehr klar dargestellt, die Farbwiedergabe wirkt durchaus natürlich und das Betrachten von Videos macht auf dem großen Display ebenfalls Spaß. Nur die breite Notch wirkt etwas störend. Zumindest werden jedoch rechts und links davon alle wichtigen Informationen (Netz, Akku, Uhrzeit, etc.) angezeigt.

Performance und Ausstattung

Als Antrieb kommt der neue Kirin 980 Prozessor, der auf der IFA 2018, angekündigt wurde, zum Einsatz. Dieser stellt seinen Vorgänger aus dem Mate 10 Pro  (Kirin 970) deutlich in den Schatten. Neben dem A12 Bionic von Apples iPhone-XS/XR-Modellen ist er der einzig verfügbare Smartphone-Chip, der mit 7-Nanometer-Strukturbreiten gefertigt wird, wodurch mehr Transistoren auf die gleiche Fläche passen. Der Achtkern-Prozessor besteht aus zwei Cortex-A76-Kernen für die Performance, zwei Cortex-A76-Kernen für die Leistung und vier Cortex-A55-Kernen für die Effizienz. In Kombination mit den beiden zusätzlichen NPU-Kernen ist der Prozessor für Anwendungen auf Basis künstlicher Intelligenz (KI) bestens gerüstet. Das macht sich u.a. bei der beschleunigten Bilderkennung und der Be- bzw. Verarbeitung von Fotos und Videos erkennbar. Der Kirin 980 kann bis zu 4.600 Bilder pro Minute erkennen, was ein Plus von 120 Prozent im Vergleich zum Kirin 970 darstellt. Die verbaute Grafikeinheit (Mali-G76-GPU) bietet eine um 46 Prozent gesteigerte Leistung und 178 Prozent mehr Effizienz. Letzteres macht sich vor allem beim Spielen grafisch aufwendiger Games bemerkbar. Diese laufen nicht nur flüssig, sondern saugen auch den Akku nicht so schnell leer, wie man es von vielen anderen Smartphones kennt. Auch die Kühlung hat Huawei gut im Griff. Denn selbst bei voller Auslastung wurde das Mate 20 Pro nie unangenehm heiß. Etwas wärmer wird es aber schon. Insgesamt gab es also an der Performance nichts auszusetzen. Das Display reagiert unmittelbar auf Befehlseingaben, Apps starten ohne Wartezeiten, bei Videos kam es zu keinen störenden Ladezeiten und Internetseiten werden ebenfalls sehr flott aufgebaut. Doch hier sind mittlerweile alle Flaggschiff-Modelle auf einem derart hohen Niveau, dass man im Alltagsgebrauch kaum Unterschiede bemerkt. Mit 6 GB RAM und 128 GB Speicher spielt das Mate 20 Pro ebenfalls ganz vorne mit. Der interne Speicher kann übrigens über völlig neue Speicherkarten (Nano-Memory-Cards), die die selbe Größe wie Nano-SIM-Karten aufweisen, um bis zu 256 GB erweitert werden. Diese Größe soll laut Huawei zum neuen Branchenstandard werden. Wenn man eine derartige Speicherkarte verwendet, verliert man jedoch die Dual-SIM-Funktion, da die Nano-Card in den Slot der zweiten SIM-Karte gesteckt wird. Der aktuell schnellste WLAN-Standard (1,7 Gbit/s), NFC, Bluetooth 5.0, NFC und GPS sind ebenfalls mit an Bord. Außerdem ist ein besonders schnelles LTE-Modem (Cat.21) für Geschwindigkeiten von bis zu 1,4 Gigabit pro Sekunde im Download integriert. Auf einen 3,5mm-Klinkenanschluss hat Huawei (leider) – wie mittlerweile viele andere Hersteller - verzichtet. Ein passender Adapter und ein Headset mit USB-C-Anschluss liegen jedoch bei.

Kameras

Bei seinem neuen Flaggschiff-Modell stellt Huawei ganz klar die weiterentwickelte Hauptkamera mit ihren drei Linsen in den Mittelpunkt. Der Hauptsensor löst mit 40 MP auf und deckt den üblichen Weitwinkelbereich ab. Die Linse für den Telebereich bietet eine Auflösung von 8 MP. Diese beiden Linsen gleichen also jenen aus dem P20 Pro . Diesem hat das Mate 20 Pro jedoch einen Superweitwinkel-Sensor mit 20 MP voraus. Die Bedienung über die Kamera-App erfolgt weitestgehend intuitiv. Wenn man auf das Zoom-Symbol klickt, wechselt man automatisch zur neuen Superweitwinkelkamera (20 MP). Hier kann man ganz einfach zwischen 0,6-, 1-, 3- und 5-fach Zoom wechseln. Im Superweitwinkelmodus (0,6) kann man tatsächlich extreme Motive einfangen. Da kommt fast Panorama-Feeling auf. Gleiches gilt für die Videofunktion. Hier ermöglicht der neue Sensor, dass Clips im 21:9 Kinoformat aufgenommen werden können. Beim 40 MP Sensor lautet das Schlagwort Künstliche Intelligenz (KI). Insgesamt wurde die KI für Fotos noch einmal deutlich verbessert. Nicht nur dass sie nun 4.600 Bilder pro Minute identifizieren kann, wodurch neue Live-Videoeffekte ermöglicht werden. Im neuen Flaggschiff kann die KI auch 1.500 verschiedene Szenen in Echtzeit erkennen und alle für die Qualität relevanten Parameter blitzschnell darauf einstellen. Im Test wirkte alles ziemlich ausgereift und durchaus beeindruckend. Wir haben die KI mit mehreren Motiven (fahrendes Auto, Hund, Menschengruppe, Brücke, Sushi, Wald, etc.) auf die Probe gestellt. Hier hatte die KI mit der automatischen Erkennung fast nie Probleme. Die Ergebnisse fielen dementsprechend gut aus. Bei guten Lichtverhältnissen setzt die Kamera wohl neue Maßstäbe. Hier gibt es bei Farbtreue, Sättigung und Detailanzeige nichts zu meckern. Zudem kommt die Leica-Triple-Cam auch mit Gegenlicht hervorragend zurecht. Das ist bei vielen anderen Smartphone-Kameras nicht der Fall. Und dank des verbesserten Nacht-Modus‘ gelingen Fotos und Videos auch in dunkler Umgebung wirklich gut. Auch hier muss sich das Mate 20 Pro vor der Konkurrenz nicht verstecken. In unserem Test konnten auch die extremen RAW-Aufnahmen (nur 2,5 cm Abstand) sowie die HDR-Unterstützung überzeugen. Neben der KI wird der Besitzer auch von einer optischen Bildstabilisierung, einem sehr schnellen Fokus mit Lasermessung und dem hellen LED-Blitz unterstützt. Alles in allem bietet die Hauptkamera eine hervorragende Performance. Hier dürfte es bei den diversen Rankings wieder auf ein Duell mit Google (Pixel 3 XL ) hinauslaufen. Derzeit werden diese Listen aufgrund fehlender Tests der neuen Geräte noch vom P20 Pro und Pixel 2 dominiert.

Die 24 MP Frontkamera mit 3D-Funktion (siehe auch nächsten Absatz) unterstützt den Besitzer ebenfalls mit KI. Zudem gibt es eine ganze Reihe an speziellen Selfie-Funktionen. Die Qualität geht auch hier voll in Ordnung. Gleiches gilt auch für Videoanrufe. Dank der integrierten Sensoren kann die Frontkamera auch als Scanner für Objekte wie etwa Kuscheltiere verwendet werden. Im Rahmen der Präsentation in London gab es dazu eine ziemlich beeindruckende Live-Demo. Dabei wurde ein Teddybär nach dem Einscannen in eine virtuelle Figur verwandelt. Diese kann man dann per Augmented Reality herumspazieren, winken, etc. lassen. Die Videos lassen sich anschließend in sozialen Netzwerken oder per Messengerdienst teilen. Am Testgerät war diese "3D Live Object"-Funktion jedoch (noch) nicht vorinstalliert. Die sogenannten "3D-Qmoji" – das Pendant zu Apples Animojis – funktionierten hingegen einwandfrei. Dabei handelt es sich um virtuelle 3D-Tiere, deren Mimik jene des Nutzers nachahmen. Die Qmojis kann man dann für Messenger-Dienste oder soziale Netzwerke verwenden.

>>>Nachlesen: Neues Huawei Mate 20 Pro im Kurztest

Biometrische Entsperrung

Der Hauptgrund für die extrem breite Notch ist, dass Huawei beim Entsperren erstmals auf eine 3D-Gesichtsentsperrung setzt. Dieses Feature hat Apple beim iPhone X erstmals eingesetzt. Nun ist sie auch in einem Android-Smartphone in einer derartigen Qualität verfügbar, dass sie sogar zum Autorisieren von Bezahlungen verwendet werden kann. Die erstmalige Einrichtung nimmt etwas mehr Zeit in Anspruch als bei Apple. Nach wenigen Minuten ist die Prozedur aber auch hier beendet. Im Test konnten die Genauigkeit und die Schnelligkeit der Entsperrung fast immer überzeugen – laut Huawei dauert es 600 Millisekunden. Ab und zu wurde das Gesicht aber nicht sofort beim ersten Blick erkannt. Die (seltenen) Fehler tauchten vor allem bei ungünstigen Lichtverhältnissen auf. Mit Sonenbrillen hatte die Technologie hingegen keinerlei Probleme. Beim Face-Unlock bietet das Mate 20 Pro einen klaren Vorteil gegenüber Apples Face ID. Denn auf Wunsch wird das Display per Gesichtserkennung komplett entsperrt. Man muss also nicht zusätzlich auch noch über den Screen wischen. Beim iPhone XS (Max) ist das hingegen immer notwendig. Beim Mate 20 hat man in den Sicherheitseinstellungen die Wahl. Mit einer weiteren biometrischen Funktion ist Huawei am US-Rivalen sogar vorbeigezogen. Die Chinesen haben es nämlich geschafft, den Fingerabdrucksensor direkt ins Display zu integrieren. Dabei muss man nur etwas fester auf eine vordefinierte Stelle (mittig auf der unteren Display-Hälfte) drücken. Wenn man das Smartphone anhebt, wird der Fingerabdrucksensor am Display eingeblendet. Nach kurzer Zeit findet man ihn jedoch auch „blind“. Das ist wirklich toll gelöst. Die Einrichtung ging flott von der Hand. Und wenn man auf die richtige Stelle drückt, funktioniert die Technik sehr zuverlässig.

Akku, Anrufe, Sound und Software

Bei Laufzeit und Ladeleistung soll das Mate 20 Pro ebenfalls neue Maßstäbe setzen. Und auch in diesen Punkten gab sich das Smartphone keine Blöße. So sorgt die riesige 4.200 mAh Batterie für eine ordentliche Laufzeit. Selbst im absoluten Härtetest mit Navigation, Videos, Downloads, etc. hielt es problemlos einen ganzen Tag durch. Im normalen Testalltag reichte eine Vollladung für zwei Tage. Wer sein Smartphone eher mäßig nutzt, dürfte sogar bis zu drei Tage über die Runden kommen. Damit das Aufladen des großen Akkus nicht allzu viel Zeit in Anspruch nimmt, bietet Huawei erstmals superschnelles Laden mit 40 Watt an. So ist der Akku nach einer halben Stunde wieder bis zu 70 Prozent voll. Die letzten dreißig Prozent nehmen dann aber etwas mehr Zeit in Anspruch. Um Sicherheitsbedenken aus dem Weg zu räumen, haben sich die Chinesen diese Technik vom TÜV Süd zertifizieren lassen. Beim kabellosen Aufladen kann das  Mate 20 Pro ebenfalls punkten – vorausgesetzt man legt sich das entsprechende Huawei-Ladepad zu. Mit diesem kann das Smartphone nämlich kabellos mit 15 Watt aufgeladen werden  - der normale Standard sind nur 7,5 Watt. Ein weiteres Novum ist jene Technologie, mit der man mit dem Mate 20 Pro auch andere Smartphones kabellos aufladen kann ("reverse charging"). Wenn diese in den Akkueinstellungen aktiviert wurde, muss man nur ein kompatibles Smartphone an die Rückseite des Mate 20 Pro halten. Dann startet der Ladevorgang automatisch. Wir haben das im Test mit einem iPhone X ausprobiert, mit dem es auf Anhieb klappte. So kann man etwa einen Freund aushelfen, wenn man gemeinsam unterwegs ist und weit und breit keine Lademöglichkeit aufzutreiben ist.

Zum Telefonieren haben wir das Smartphone natürlich ebenfalls verwendet: An der Sprach- und Empfangsqualität bei Anrufen gibt es nichts zu kritisieren. Der integrierte Ohrhörer hat übrigens noch eine weitere Funktion. Huawei nutzt ihn dazu, um bei der Musik- oder Videowiedergabe Stereosound zu ermöglichen. Der Klang kommt dabei nicht nur aus dem Lautsprecher auf der Unterseite, sondern eben auch aus dem oberen Bereich. Für ein Smartphone ist die Akustik durchaus gut, Maßstäbe setzt sie jedoch nicht. Als Betriebssystem ist Android 9 "Pie"  vorinstalliert. Darüber liegt die hauseigene Nutzeroberfläche EMUI 9. Sie bringt auch einige Funktionen und vorinstallierte Apps mit. Einige davon können jedoch komplett deinstalliert werden, was Speicherplatz frei macht. Zudem bietet Huawei einen eigenen Appstore an. Darin sind jedoch keine Anwendungen zu finden, die es im Google Play Store (in ähnlicher Form) nicht geben würde.

>>>Nachlesen: So gut ist das Huawei Mate 20 Pro

Fazit

Huawei hat bereits vor der Präsentation seines neuen Flaggschiffs ein innovatives Smartphone versprochen, das Maßstäbe setzen wird. Und nach einer Woche Intensivtest kann man durchaus festhalten, dass das Mate 20 Pro dieses Versprechen auch hält. Das Gerät ist mit Sicherheit das derzeit ambitionierteste und kompletteste Android-Smartphone. Bei Performance, Display, Kameras, Akku, Verarbeitung, KI oder Software lässt es gar nichts anbrennen. In manchen Bereichen setzt es sogar Maßstäbe. Hinzu kommen innovative Funktionen wie das kabellose Laden anderer Geräte, die Nano-Speicherkarten im SIM-Format oder der ins Display integrierte Fingerabdrucksensor. Wenn wir uns was wünschen dürften, wäre das ein herkömmlicher Klinkenanschluss und etwas weniger vorinstallierte Zusatzsoftware. Ansonsten gibt es wirklich so gut wie nichts auszusetzen. Doch leider hat diese Performance auch ihren Preis. Wenn das Mate 20 Pro Ende Oktober in den Handel kommt, kostet es mindestens 999 Euro. Und das könnte zum Problem werden. Denn andere, ebenfalls hervorragende Android-Smartphones sind bereits einige Monate auf dem Markt. Hier sind die ähnlich hohen Einführungspreise bereits deutlich gesunken. So gibt es etwa das Samsung Galaxy S9+, das LG G7 ThinQ  oder das Huawei P20 Pro bereits für rund 650 Euro. Selbst das ebenfalls brandneue Sony Xperia XZ3  ist bereits deutlich unter 800 Euro zu haben. Hier lässt sich also wirklich viel Geld sparen. Beim Mate 20 Pro dürfte es noch einige Zeit dauern, bis der Preis deutlich zurückgeht. Wer aber das derzeit kompletteste und beste Android-Smartphone haben möchte, muss die 1.000 Euro investieren und wird diese Investition auch nicht bereuen.

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