Die Europäische Union verstärkt den Kampf gegen Killerspiele und Gewaltvideos, ein EU-weites Verbot wird es auf absehbare Zeit aber nicht geben.
Das bleibe Sache der Mitgliedstaaten, sagte EU-Justizkommissar Franco Frattini am Dienstag nach einem Treffen der europäischen Justizminister in Dresden. Für die österreichische Justizministerin Maria Berger sind angesichts des Alters der meisten Konsumenten Präventivmaßnahmen im Bildungsbereich strafrechtlichen Schritten vorzuziehen.
Schutz harmonisieren
Deutschland werde während seiner
EU-Ratspräsidentschaft bis zum Sommer die Lage in allen 27 EU-Staaten
analysieren, kündigte Justizministerin Brigitte Zypries an. Alle Staaten
sollen zudem verbotene Gewaltspiele an eine zentrale EU-Stelle melden. Nach
Art einer Schwarzen Liste könnte das Verbote in anderen Mitgliedstaaten nach
sich ziehen, erklärte Frattini. Derzeit können junge Leute in einigen
EU-StaatenSpiele kaufen, die in anderen verboten sind. "Wir müssen darauf
hinarbeiten, den Schutz von Kindern auf einem möglichst hohen Niveau zu
harmonisieren", sagte Frattini, der zudem mit den europäischen Herstellern
und Vertreibern über eine freiwillige Selbstkontrolle reden will.
EU hat rechtlich keine Handhabe
Die EU-Kommission sieht außerdem
keine Handhabe, rechtlich gegen Killerspiele vorzugehen. "Wir haben
keine direkte Kompetenz und suchen sie auch nicht", sagte ein Sprecher
von Justizkommissar Franco Frattini. Frieden hält eine EU-Initiative
hingegen für möglich. Andere Länder seien dagegen. "Ich
glaube, dass es zwei Lager gibt", sagte der Luxemburger. Der bayerische
Innenminister Günther Beckstein sprach sich für ein nationales Verbot in
Deutschland aus.
World of Warcraft-Launch
Am selben Tag feiern etwa 6,5 Millionen
Menschen weltweit die heute neu auf den Markt kommende neue Version "ihres"
Spiels: "World of Warcraft" (WOW). Der Schwierigkeitsgrad steigt
von Faktor 60 auf 70. Experten warnen vor dem Suchtcharakter dieses
Computerspiels.
"Ich habe gestern meine Freundin an WOW verloren", schreibt ein Mann auf der Seite Bronsky.net, der deutschen Variante einer Homepage in den USA, die sich "Widows of World of Warcraft" nennt. Darin tauschen die "Witwen", die Angehörigen der an das Computerspiel Verlorenen, ihre Erfahrungen aus.
"Kranke Gesellschaft"
Der Direktor des
Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer: "Eine
Gesellschaft, die solche Spiele zulässt, ist krank." Die
Bundesprüfstelle könne aber nicht einschreiten, weil sie durch die
Beurteilungen der USK gebunden sei. "Da ist ein grundlegender Fehler
passiert", sagt Pfeiffer, der außerdem kritisiert, dass die USK damit
geworben habe, Computerspiele seien gut fürs Lernen. Im Gegenteil: "Es
besteht eine wachsende Diskrepanz zwischen Computer und Schulleistung."
Deutschland halte einen Rekord im Leistungsabstand zwischen Migranten und
Inländerkindern: Während Jugendliche aus Migrantenfamilien zu 44 Prozent
über eine eigene Playstation verfügten, seien es bei Inländerkindern nur 22
Prozent.
Italiens Frattini schickt Brief aus
Franco Frattini kann sich
über die "obszönen und perversen Spiele" in Rage reden.
Der italienische EU-Justizkommissar und bekennende Katholik hat an seine
europäischen Kollegen einen Brief geschrieben. Der 49-Jährige ruft die
Justizminister darin auf, ihrer "Verantwortung zum Schutz der Kinder"
gerecht zu werden. Für ihn ist ausgemacht, dass Spieler, die am Computer
Menschen abschießen, auch in der Realität vor Gewalt nicht zurückschrecken.
Strafen für Verkäufer drohen
Frattini plädiert für
schärfere Kontrollen: Die EU müsse verhindern, dass gewaltverherrlichendes
Material in die Hände von Minderjährigen gerät. "In
einigen Ländern kann man Videospiele oder DVDs kaufen, ohne den
Personalausweis vorzeigen zu müssen", empört sich der Vater einer
jugendlichen Tochter. Er will nun zunächst mit Herstellernverbänden und
Jugendschützern über eine freiwillige Selbstverpflichtung reden. Für den
Fall, dass dies nichts fruchtet, will er mit den EU-Justizministern die
Möglichkeit für härtere Kontrollen abstecken. Verkäufern, die nicht
jugendfreies Material weitergeben, droht er mit Strafen.
"Bringt nichts"
Experten warnen vor einem generellen
Verbot: Das würde Jugendliche noch neugieriger machen, der Anreiz wäre
größer, als er ohnehin schon ist.