Ende der IP-Adressen
Neues Internet-Protokoll IPv6 kommt in Bewegung
07.05.2008
Schon in drei Jahren soll es keine IP-Adressen mehr geben - der Umstellungsprozess auf das neue Internet-Protokoll IPv6 nimmt langsam Gestalt an.
Langsam, aber unausweichlich wird es eng im Internet. Das für den Datenverkehr im Netz grundlegende Internet-Protokoll ermöglicht 3,7 Milliarden Adressen - bei einer Weltbevölkerung von 6,7 Milliarden sind das deutlich zu wenig. In dieser Woche wollen rund 200 Teilnehmer einer Fachkonferenz in Potsdam die Lösung für das Problem vorantreiben: IPv6 hat mit 340 Sextillionen Adressen praktisch unendlich viel Platz.
Seit 10 Jahren in Arbeit
Dieses Internet-Protokoll in der Version
6 sei schon fast zehn Jahre alt, erklärt Konferenzleiter Christoph Meinel.
"Man hat sich damals hingesetzt und gefragt: Wie machen wir es richtig?"
Denn bereits Mitte der 90er Jahre erkannte man die Mängel der Version 4 des
Internet-Protokolls - vor allem die begrenzte Verfügbarkeit von Adressen, in
der Fachsprache als Adressraum bezeichnet.
Danach sei IPv6 aber nicht richtig in die Gänge gekommen, erklärt Meinel, der das Hasso-Plattner-Institut (HPI) an der Universität Potsdam leitet. Vor allem in den USA hielt sich die Begeisterung in Grenzen - die dort eingerichteten Netze verfügen ja auch über etwa 74 Prozent aller derzeit vergebenen IP-Adressen. Für China und andere asiatischen Ländern sei der Druck der Adressenknappheit aber sehr viel stärker, erklärt Meinel. Daher werde IPv6 dort sehr viel massiver vorangetrieben.
"Inzwischen kommt auch in den USA und bei uns Bewegung hinein", sagt Meinel. Als treibende Kräfte nennt er den Trend zum "Internet der Dinge", also der Netzanbindung von elektronischen Geräten aller Art vom Stromzähler bis zum Kühlschrank. Interessant ist das neue Protokoll auch für mobile Anwendungen. Für Handys und andere mobile Geräte gebe es bisher keine feste IP-Adresse, erklärt der Informatiker. Das erschwert die Entwicklung von Web-Anwendungen, die ein Gerät gezielt ansprechen müssen. "Das wird alles mit IPv6 möglich", sagt Meinel.
Langwierige Umstellung
Der Umstellungsprozess wird schrittweise
vor sich gehen und betrifft alle Netzanbieter und -nutzer, auch den
Endanwender. "Die meisten Provider beschäftigen sich noch nicht genug mit
IPv6", sagt Frank Orlowski vom Internet-Austauschknoten DE-CIX in Frankfurt
am Main. "Je früher man damit anfängt, umso besser." Es dürfe keine
Torschlusspanik aufkommen, aber "irgendwann gibt es nichts mehr, was noch an
Adressräumen verteilt werden kann". Immerhin nutzen nach Angaben Orlowskis
bereits 70 bis 80 Provider der 240 am DE-CIX angeschlossenen Netze das neue
Internet-Protokoll.
Bald alle IP-Adressen verbraucht
Der Netz-Experte erwartet, dass
es eine Übergangszeit geben wird, in der beide Protokolle parallel verwendet
werden können. "Irgendwann wird man dann aber das alte Netz abschalten",
erklärt Orlowski. "Das wird ein Prozess sein, der mehrere Jahre in Anspruch
nimmt." Die Schätzungen für den Zeitpunkt, zu dem es keine freien
IP-Adressen mehr geben wird, reichen je nach Szenario von 2010 bis 2012.
Kein Grund zur Panik
Auch der Potsdamer Informatik-Professor
Meinel sieht keinen Grund für Panik: "Es ist nicht so, dass plötzlich alles
schwarz wird für die, die nicht umgestellt haben." Schließlich gibt es auch
die als "Tunneling" bezeichneten Möglichkeiten, Daten des einen Protokolls
so zu transportieren, dass sie von einem anderen Protokoll verstanden
werden. Allerdings könnte es dabei zu gewissen Leistungseinbußen kommen.
Die Umstellung ist auf Seiten der Provider mit Investitionen in neue Hardware verbunden - die neuen Router müssen dann schließlich mit IPv6 umgehen können. Meinel erwartet aber, dass dies im Rahmen der ohnehin üblichen Erneuerung von Geräten ablaufen kann. Auch der DSL-Router für das drahtlose WLAN-Netz daheim muss dann IPv6 verstehen können, aber Meinel sieht in der Bereitstellung der entsprechenden Geräte kein großes Hindernis: "IPv6 soll nicht teuer werden."
Für gewichtiger hält der HPI-Direktor die Sorgen nach dem Motto "Never touch a running system". Mancher werde sagen: "Mein Internet funktioniert doch." Solche Bedenken müssten mit einer breiten Aufklärung über die Vorteile überwunden werden, meint Meinel.
Bei IPv6 werden keine dynamischen IP-Adressen mehr zugewiesen, wie es bei der Einwahl ins Netz mit einem Modem oder auch bei den meisten DSL-Verbindungen der Fall ist. Feste IP-Adressen haben den Vorteil, dass man einen eigenen Web-Server betreiben kann, der auch ohne Anmeldung einer Domain, also einer Internet-Adresse nach dem Muster meineDomain.de, immer unter der gleichen Ziffern-Adresse erreichbar ist. Andererseits erhöht eine dynamische, also sich immer wieder ändernde IP-Adresse auch den Schutz der Privatsphäre. Der Informatiker Meinel aber sieht in den dynamischen Adressen nur einen Notbehelf der IPv4-Ära: "Eigentlich sollten Datenschutz und Sicherheit auf anderen Methoden beruhen."