Test: Nokia N97
Allrounder lässt Konkurrenz alt aussehen
21.07.2009
Für die einen ist das Nokia N97 ein Business-Gerät für die anderen das wahrscheinlich beste Handy der Welt. Derzeit ist am Markt nichts vergleichbares erhältlich, aber auch preislich ist das N97 ganz oben angesiedelt. (In diesem Punkt gibt es jedoch Abhilfe)
Eines vorweg: Im N97 gibt es nichts was es nicht gibt. Die finnischen Ingenieure haben sich bei der Entwicklung dieses Business-Handys viele Gedanken gemacht und das Ergebnis ist beeindruckend. Dass ein so kompaktes Gerät über eine solch umfangreiche technische Ausstattung verfügen kann, war vor wenigen Jahren noch unvorstellbar. Und auch heute ist man von einigen der gebotenen Features noch schwer beeindruckt. Wer alle technischen Möglichkeiten des Handys herausfinden will, muss sich mit dem Gerät mindestens zwei Wochen intensiv auseinander setzen.
Display
Eigentlich ist es schon überraschend, dass das N97 erst das zweite Touchscreen-Handy ist, welches der weltgrößte Handy-Hersteller und Marktführer auf den Markt bringt. In diesem boomenden Sektor ist die Konkurrenz eindeutig besser aufgestellt. Doch sobald Nokia ein neues Modell auf den Markt bringt, werden normalerweise neue Klassenstandards gesetzt. Von der Größe (8,9 cm Diagonale) und der gebotenen Auflösung (640 X 360) kann das Display voll überzeugen, auch nervende Spiegelungen an heißen Sommertagen konnten die Entwickler weitgehend vermeiden. Den Standard-Bildschirm kann sich der Eigner ganz nach seinem Geschmack gestalten. Widgets erscheinen nur dann wenn man sie vorher festlegt und genau dort wo man sie am Display haben will. Fotos und Videos werden sehr scharf und realitätsnah wiedergegeben - den 16 Millionen Farben sei Dank.
Bedienung (Touchscreen/Zusatztastatur)
Touchscreen:
Die Befehle werden wie beim Konkurrenten von Apple ohne jede Verzögerung ausgeführt. Man klickt auf ein Widget und das dahinterliegende Programm erscheint blitzartig. Auch der Bewegungssensor arbeitet äußerst präzise und sehr schnell. Sobald man das N97 in die Seitenlage befördert, hat auch schon das Display auf Querformat umgestellt. Die Quertztastatur ist ebenfalls gut zu bedienen, dennoch kommt sie an den Komfort der ausschiebbaren Zusatztastatur nicht heran. Nur das Feedback nach einer Befehlsausführung hätten wir uns etwas stärker gewünscht. Mit der Zeit gewöhnt man sich aber auch an dieses kleine Manko.
Zusatztastatur und Tasten:
Die herkömmlichen Anruftasten erfüllen die gängigen Standards - mit ihnen hebt sich das N97 nicht von den Konkurrenten ab. Den Unterschied macht die ausschiebbare Tastatur mit den mechanischen Tasten und der Vier-Wege-Taste. Diese Zusatzausstattung erhöht den Bedienkomfort beim SMS-Tippen oder beim Internet-Surfen enorm (scrollen wird zum Kinderspiel). Die Displaygröße bleibt im vollen Umfang erhalten und Eingabefehler bleiben die Seltenheit. Insgesamt erweist sich die Tastatur als großer Vorteil und wirkt sich eigentlich nur in einem Bereich etwas negativ aus: bei der allgemeinen Größe des Geräts. Einige Kollegen attestierten dem N97 nicht einmal Hosentaschenformat, aber so unhandlich ist das Handy auch wieder nicht. Die Konkurrenten bauen aber durchwegs kompakter. Für die Beleuchtung der Tasten gibt es auch bessere Lösungen. Beim N97 ist nämlich nicht nur die Beschriftung sondern die gesamte Tastatur durchgängig beleuchtet. Durch diesen Umstand sind einige Tasten bei Dunkelheit kaum zu unterscheiden. Sobald man jedoch weiß wo sich welche Tasten befinden, ist das Problem beseitigt.
Die Menüs sind sehr übersichtlich und selbsterklärend aufgebaut. Auch Nokia-Neulinge finden sich in den Untermenüs schnell zurecht. Für Traditionalisten bietet Nokia noch ein spezielles Feature. So reicht ein Druck auf die Menütaste links unten und man erhält die Benutzeroberfläche des S60-Menüs.
Fotos/Videos
Vom Papier her ist die Kamera mit 5-MP nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit. Zahlreiche Konkurrenten bieten schon 8-MP oder sogar 12-MP Handycams an. Doch die gelieferten Ergebnisse zeigen, dass die Anzahl der Megapixel nicht immer für die wahren Qualitäten einer Kamera stehen. Aufgrund der gut funktionierenden Autofokus-Funktion und des integrierten Carl-Zeiss-Objektivs können beeindruckende Aufnahmen entstehen. Vor allem bei guten Lichtverhältnissen kann es das N97 sogar mit richtigen Digicams aufnehmen, bei Dunkelheit muss man jedoch Abstriche machen.
Wiedergegebene Videos wirken sehr realistisch und aufgrund des großen Displays brauch man auch keine Lupe für deren Betrachtung. Sogar Details sind erstaunlich gut zu erkennen. Wäre eine DVB-T-Antenne integriert könnte man sich ab und zu sogar die Rezeption eines Fernsehprogramms vorstellen. Aber das ermöglichen ja auch schon Datenverträge der Mobilfunkanbieter.
Multimedia
Beim Musikplayer konnte Nokia ganz ungeniert ins Konzernregal greifen, denn da haben sie ja mit dem 5800 XpressMusic den König unter den Musikhandys im Angebot. Und deshalb kann man die Entscheidung nur begrüßen, dass die Ingenieure dieselbe bewährt Technik ins N97 packen. Der Klang ist über jeden Zweifel erhaben und aufgrund des 3,5"-Klinkensteckers kann man sich die Musik auch mit den eigenen Lieblings-Headset anhören. Und wer nicht ganz zu große Ansprüche hat wird auch mit den Sound aus den integrierten Boxen ganz gut leben können. Eine Soundanlage kann das Handy aber natürlich nicht ersetzen.
Akku
Trotz der gebotenen Leistung, dem großen Display und der ständigen Sehnsucht irgendetwas mit dem Handy zu machen zeigt der Akku wahre Steherqualitäten. Würde man das N97 nur zum Telefonieren verwenden, könnte man den Eindruck gewinnen, dass der Akku ein Leben lang reicht. Im Test bewegte sich der Anzeigebalken während den Telefonaten so gut wie gar nicht. Nutzt man alle Anwendungen voll aus, reicht eine Ladung noch immer über fünf Stunden. Das schaffen nicht einmal Netbooks mit deutlich stärkeren Akkus und auch keiner viel besseren Leistung. Dieser Vergleich hinkt natürlich ein wenig, aber mit den ein oder anderem Mini-Notebook kann es das N97 aufnehmen.
Verbindungen und Speicher
Bei den Standards zur Datenübertragung bietet das Business-Handy alles was derzeit verfügbar ist. Highspeed USB-Anschluss für das schnelle Übertragen von PC-Dateien ist ebenso dabei wie Bluetooth das sogar Stereo-Signale überträgt, HSDPA (Phase II) und WLAN (802.11g). Der mitgelieferte Internet-Browser arbeitet äußerst fix und kapituliert auch vor Flash-Dateien nicht - so steht dem Surfgenuss gar nichts im Wege.
Und auch bei der Speicherkapazität zeigt sich Nokia wirklich generös. Jedes N97 verfügt ab Werk über 32 (!) GB integrierten Speicher, der sich via microSD-Card sogar auf 48 GB erweitern lässt. So ausgestattet dürfte das Handy wirklich allen Ansprüchen gerecht werden.
Anwendungen (Internet/Navigation/Office)
Wie bereits erwähnt wurde, verfügt das N97 über einen schnellen Browser und eine hervorragende Bedienung. Diese beiden Eigenschaften machen das Handy zum unumstrittenen Internet-König. Für den Aufbau einer "vollgestopften" Seite braucht das N97 keine 20 Sekunden und die Eingaben oder Befehle werden sofort ausgeführt. Das Zusammenspiel von manueller Tastatur und Touchscreen-Display erhöhen den Surf-Komfort immens. Da sich das Display in einem erhöhten Winkel zum Keyboard aufschiebt, hat man eine tolle Übersicht und bekommt schon fast ein Netbook-Feeling. Ein "Doppel-Klick" auf das Display genügt und die Ansicht wird vergrößert, scrollen kann man über die Vier-Wege-Taste und URLs gibt man ganz bequem über die Tastatur ein. Selten hat surfen mit einem Handy so viel Spaß gemacht.
Durch den integrierten GPS-Empfänger und der angebotenen Software kann man das N97 auch als Navigationssystem verwenden. Für die ersten drei Monate steht die D-A-CH Navisoftware-Lizenz jedem Käufer sogar kostenlos zur Verfügung. Will man die Funktion aber nutzen, entstehen wie bei allen Mobilfunkanbietern unterschiedlich hohe Kosten.
Als tolles Feature liefert Nokia bei jedem N97 das mobile Office (Quickoffice) mit. Dadurch kann man am Computer erstellte Dokumente, Tabellen oder Präsentationen direkt am Handy betrachten. Das gesamte Arsenal - also das Paket mit dem man diese Dateien auch erstellen oder bearbeiten kann - gibt es jedoch nur gegen Aufpreis. Für Geschäftsleute lohnt sich diese Investition mit Sicherheit.
Technische Daten
Symbian S60 5.0 Betriebssystem
Netzstandard: Quadband-GSM
3G-Standard: UMTS, HSDPA
Gewicht: 149g
Größe (H/B/T): 117/55/18 mm
Prozessor: ARM 11; 434 MHz Taktfrequenz
Standby GSM: 18 Tage laut Hersteller
Sprechzeit GSM 9,5 Stunden laut Hersteller
Sprechzeit UMTS/HSDPA: 06:00 Stunden laut Hersteller
Display-Größe: 77 x 43 mm
Display-Auflösung: 360 x 640 Pixel
Integrierter Speicher: 32 GB (erweiterbar via microSD-Card)
5 Megapixel-Kamera
Video-Kamera: 640 x 480 Pixel: Kamera für Videotelefonie
Schnittstellen: Bluetooth, USB, WLAN
A-GPS Empfänger
Eingabe via Touchscreen und manueller QWERTZ-Tastatur
Musik Player: AAC, AAC+, AMR-NB, AMR-WB, AU, AWB, eAAC+, M4A, MIDI Tones (poly 64), Mobile XMF, MP3, MP4, RealAudio 7, 8, 10, RMF, SND, SP-MIDI, True tones, WAV, WMA, WVE
Fazit
Das Nokia N97 konnte im Test in nahezu allen Disziplinen voll überzeugen. Wirkliche Kritikpunkte gab es nicht oder sie lösten sich im Laufe des Tests auf. Mit dem N97 hat Nokia die Latte für die Konkurrenten ein ordentliches Stück höher gelegt. Egal ob Multimedia, Internet, Foto/Video - dieses Handy kann es mit jedem Konkurrenten aufnehmen und stellt die meisten sogar in den Schatten. Der größte Vorteil liegt im Zusammenspiel von manueller Tastatur und dem Tochscreen-Display. Hat man sich an diese spezielle Bedienung erst einmal gewohnt will man sie nicht mehr missen. Auch wenn das G1 diese Kombination schon länger anbietet kommt es an die hier zelebrierte Perfektion in keiner Weise ran. Unserer Meinung nach hat Nokia mit dem N97 das erste hosentaschentaugliche Netbook entwickelt und auf dem Markt gebracht.
Und mittlerweile schrecken auch die Kosten nicht mehr so ab (UVP: 699 Euro). Im Internet erhält man vertragsfreie Geräte mittlerweile schon für rund 550 Euro - für die gebotene Leistung ein wirklich fairer Preis.