Die Experten sind sich über die Möglichkeit einig - eine experimentelle Verwirklichung lässt aber noch auf sich warten
Bisherige Ansätze für sogenannte Quantencomputer kämpften nicht zuletzt mit dem Problem, dass die empfindlichen Teilchen - Licht, Atome oder auch Ionen - völlig von der Umgebung abgeschirmt werden müssen. Nun möchte ein renommiertes Team an Theoretikern - darunter Ignacio Cirac, Direktor am Max-Planck-Institut (MPI) für Quantenoptik in Garching (Deutschland) und Frank Verstraete, Universität Wien - den Spieß umdrehen: Störungen könnten die reibungslose Funktion des Quantencomputers gewährleisten, heißt es in einer Aussendung des MPI.
Dass man überhaupt die Entwicklung eines Quantencomputers anstrebt, liegt an grundlegenden Eigenschaften der kleinsten Teilchen. Die Zauberformel lautet: Überlagerung von Zuständen, auch Superposition genannt. Herkömmliche Computer kennen nur Ja/Nein bzw. 0 und 1, Quanten-Bits - oder Qubits - können auch mehr oder weniger beliebig viele Zustände zwischen 0 und 1 annehmen. Diese Überlagerungen vervielfachen den Rechenraum, für spezielle Anwendungen - etwa Berechnungen der Quantenphysik selbst - soll der Quantencomputer herkömmlichen Rechnern haushoch überlegen sein.
Herausforderungen
Der Haken an der Sache war bisher, dass die
Teilchen ihre für die menschliche Erfahrung höchst seltsamen Eigenschaften
nur beibehalten, so lange sie mit der restlichen Welt nicht in Berührung
kommen. Die für Speicherung, Verschlüsselung, Verarbeitung und Übertragung
von Information im Quantencomputer benötigten Effekte wie Superposition und
Verschränkung gehen verloren, sobald das System an die Umgebung
Informationen verliert. Ausgefeilte Systeme etwa mit elektromagnetischen
Fallen, die jede Berührung etwa mit Gefäßwänden verhindern, schaffen
Abhilfe, sind aber auch aufwendig.
Neue Strategie
Im nun präsentierten Modell drehen die Physiker
den Spieß um. Der Verlust von Information an die Umgebung, die sogenannte
Dissipation ist dabei sogar die Voraussetzung für effizientes
Quanten-Computing. Ausgangspunkt ist auch für den innovativen Ansatz ein
System aus Qubits, das mit der Umgebung wechselwirkt und dadurch
Information verliert. Vereinfacht gesagt, entwickelt sich das System in
Folge des Informationsverlusts auf einen Fixpunkt zu, einen "dauerhaften
stationären Zustand", wie die Physiker es nennen.
Dabei
wird die Dissipationsdynamik - also wie der Informationsverlust vonstatten
geht - je nach Wunsch maßgeschneidert. "Der Fixpunkt könnte den Grundzustand
des Systems darstellen, er könnte ein bestimmter Zustand sein, den man
präparieren möchte, oder er kann z. B. das Rechenergebnis enthalten", so die
Wissenschafter. Ein wesentlicher Vorteil dieses Ansatzes liege darin, dass
bei rein dissipativen Prozessen der Endzustand unabhängig von den
Anfangsbedingungen und somit auch unabhängig von eventuellen Störungen auf
dem Weg dahin erreicht werde. Dies macht das "Dissipative Quantum Computing"
besonders widerstandsfähig und verleihe ihm eine inhärente
Störungsunempfindlichkeit.
Umsetzung steht noch aus
"Noch
handelt es sich dabei um einen allgemeinen Machbarkeitsnachweis", betonen
die Theoretiker. Nun sind die Experimentatoren am Zug. Eine Überprüfung des
Konzepts sei mit Experimenten an atomaren Quantengasen oder Ionenfallen
möglich.