Österreicher an IBMs Hightech-Rechnern federführend beteiligt.
Noch wird weltweit an den Grundlagen für Quantencomputer geforscht. Doch die Industrie ist längst auf diese Entwicklung aufgesprungen. IBM etwa bietet seit 2016 via Cloud freien Zugang zu mittlerweile drei Quantencomputern . Kürzlich machte der Konzern den Schritt Richtung Kommerzialisierung und will nun mit der Auslobung von Preisen für Forscher und Studenten die Community vergrößern.
Das Engagement der Industrie zeigt sich auch an einem aktuellen Bericht des Fachjournals "Nature", wonach eine Forschergruppe an der Technischen Universität Delft (Niederlande) demnächst von Intel einen Quantencomputer erhält, der auf Siliziumtechnologie basiert. 50 Mio. Dollar (42 Mio. Euro) investiert der Halbleiter-Gigant zehn Jahre lang alleine in Delft.
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Österreicher leitet Quantentechnologie-Gruppe
Wieviel der sechs Mrd. Euro, die IBM jährlich für Forschung und Entwicklung aufwendet, in das Gebiet Quantencomputer gehen, wollte man bei einem Hintergrundgespräch zum Thema in Wien nicht sagen. Die Technologie sei aber sicher "ein Hauptfokus", so der aus Österreich stammende Physiker Stefan Filipp, der im IBM-Forschungslabor in Zürich die Quantentechnologie-Gruppe leitet.
Während in Zürich vor allem Grundlagenforschung in diesem Bereich durchgeführt werde, ist der Quantencomputer im IBM-Forschungshauptquartier in Yorktown Heights im US-Bundesstaat New York bereits Realität: Zwei Prozessoren mit jeweils fünf Quantenbits (Qubits) und einer mit einem Prozessor mit 16 Quantenbits sind im Rahmen der IBM-Initiative "Quantum Experience" frei zugänglich.
65.000 Nutzer haben bisher darauf Millionen Experimente durchgeführt, 50 wissenschaftliche Publikationen basieren auf Arbeiten mit diesen Quantencomputern. Man wolle damit nicht nur Quantenphysiker, sondern möglichst viele Personen aus den unterschiedlichsten Bereichen ansprechen, um Ideen zu sammeln und das Potenzial auszuschöpfen.
Das ist auch das Ziel einer neuen Reihe von Preisen für Wissenschafter und Studenten ("IBM Q Award"), die die vom Konzern bereitgestellten Quantencomputer-Werkzeuge nutzen. Preise gibt es etwa für die Entwicklung von Kursmaterialien oder die Veröffentlichung wissenschaftlicher Arbeiten.
Erst vor wenigen Wochen hat der Konzern die kommerzielle Initiative "IBM Q" gestartet, in der gemeinsam mit zwölf Partnern wie Daimler, Samsung, Honda sowie mehreren Unis der Einsatz von Quantencomputern für kommerzielle und wissenschaftliche Anwendungen erprobt werden soll. Dafür steht ein Prozessor mit 20 Qubits zur Verfügung, ein Prototyp mit 50 Qubits wird derzeit getestet.
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Problemlösungen als oberstes Ziel
Das Ziel sei, mit Quantencomputern Probleme zu lösen, die mit konventionellen Rechnern nicht gelöst werden können, sagte Filipp. Während die grundlegende Informationseinheit des Computers derzeit das Bit ist, das exakt zwei Zustände einnehmen kann (0 oder 1) arbeitet der Quantencomputer mit Qubits.
Diese können auf verschiedene Weise realisiert werden, etwa mit Atomen, Photonen oder supraleitenden Schaltkreise - auf letztere Technologie setzt IBM. Solche Quantensysteme gehorchen den Gesetzen der Quantenphysik und können daher nicht nur "0" und "1", sondern auch beide Zustände gleichzeitig annehmen. Die Physiker nennen dies Superposition.
Zudem lassen sich mehrere Qubits miteinander verschränken. Bei diesem von Albert Einstein als "spukhafte Fernwirkung" bezeichneten Phänomen bleiben zwei Quantensysteme über beliebige Distanzen miteinander verbunden. Was immer man mit einem tut, beeinflusst augenblicklich auch den Zustand des anderen Teilchens. Quantencomputer nutzen Superposition und Verschränkung um bestimme Berechnungen um ein Vielfaches schneller als konventionelle Computer durchführen können.
Ein Beispiel dafür ist etwa die sogenannte Faktorisierung. Während konventionelle Rechner selbst riesige Zahlen leicht multiplizieren können, tun sie sich schwer, eine Zahl in ihre (Multiplikations-)Faktoren zu zerlegen. Das wird aber etwa speziell für Verschlüsselungen benötigt. "Hier bedarf es noch Forschung, um tatsächlich große Zahlen mit dem Quantencomputer faktorisieren zu können", sagte Filipp.
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Reihe an Anwendungsbereichen
Als weitere potenzielle Anwendungen nannte er etwa Optimierungsprobleme, die für verschiedene Geschäftsbereiche relevant seien. Wie ein Handlungsreisender seine Route durch mehrere Städte optimal plant ist etwa ein solches Problem, an dem Computer derzeit bei vielen zu besuchenden Städten schnell scheitern. "Es ist aber noch aktive Forschung notwendig, um genau die Probleme zu finden, die für den Quantencomputer passen. Der ist nicht in jedem Fall schneller", so Filipp. Eine Hauptanwendung seien Quantensimulationen etwa im Bereich Chemie oder Materialwissenschaften, wo man beispielsweise physikalische Systeme wie die Elektronen eines Moleküls berechnen könne.
Ein Problem ist die Empfindlichkeit der Quantenzustände. Die für Qubits verwendeten Systeme sind gegenüber Einflüssen von Außen, etwa Vibrationen, Wärme, elektromagnetische Strahlung extrem empfindlich. Die sogenannte Kohärenzzeit, in der die Superposition aufrecht ist, beträgt nur eine Millisekunden, sagte Filipp. In dieser Zeit muss eine Rechenoperation eingelesen, berechnet und wieder ausgelesen werden. Aus diesem Grund werden die Prozessoren auf ganz knapp über dem absoluten Nullpunkt (minus 273 Grad Celsius) gekühlt.
Ziel sei es, sowohl diese Zeit zu verlängern, als auch die Zahl der Prozessoren deutlich zu steigern. Nachdem die Qubits noch nicht perfekt seien, müsse man auch Fehlerkorrektur-Algorithmen entwickeln. Der nächste Schritt seien Prozessoren mit 100 bis 1.000 Qubits. Er rechnet damit in den nächsten fünf Jahren. "Gleichzeitig müssen wird darüber nachdenken, was relevante Probleme für den Quantencomputer sind", so Filipp.
Wann es dann einen universellen, fehlertoleranten Quantencomputer mit bis zu zehn Millionen Qubits geben wird, lasse sich derzeit noch nicht sagen. "Das wird auch davon abhängen, wie erfolgreich man ist und wie gut man zeigen kann, wie relevant der Quantencomputer ist", davon werde auch das Investment in den Bereich abhängen, so Filipp.
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