Milliardenschwere Forderung der EU-Kommission im Streit um Steuervergünstigungen in Irland für nichtig erklärt.
Gute Nachricht für Apple-Chef Tim Cook (Bild), schlechte Nachricht für europäische Steuerzahler: Im Streit um die Rekord-Steuernachzahlung
von 13 Mrd. Euro für den US-Technologieriesen in Irland hat die EU-Kommission eine Schlappe vor Gericht erlitten. Die Brüsseler Behörde sei fälschlicherweise davon ausgegangen, dass Apple für seine Tochterfirmen in Irland unrechtmäßige Steuervergünstigungen erhalten habe, entschied das Gericht heute. (Az. T-778/16 und T-892/16)
Der EuG musste die Forderung der Kommission an Irland prüfen, von Apple 13 Milliarden Euro zurückzubekommen. Gegen diesen Beschluss klagten der Konzern und auch Irland.
Das EU-Gericht in Luxemburg annullierte nun die Nachforderung der EU-Kommission aus dem Jahr 2016. Die Kommission habe nicht nachweisen können, dass die Steuervereinbarungen von Apple in Irland aus den Jahren 1991 und 2007 eine ungerechtfertigte staatliche Beihilfe darstellten, wie die Richter am Mittwoch erläuterten.
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Schlüsselfrage geklärt
Sowohl die irische Regierung als auch Apple begrüßte die Gerichtsentscheidung am Mittwoch. Die Entscheidung ist allerdings mit großer Wahrscheinlichkeit nicht der Schlusspunkt in dem politisch aufgeladenen Konflikt. Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass der Streit in nächster Instanz vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) weitergeht. Die Kommission hat zwei Monate Zeit, Berufung einzulegen.
Die EU-Kommission hatte im August 2016 die Nachzahlung für den Zeitraum von 2003 bis 2014 gefordert, weil es sich ihrer Ansicht nach um unrechtmäßige Steuervergünstigungen handelte. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager vertrat die Ansicht, das Land habe dem Konzern eine unzulässige Sonderbehandlung bei den Steuerkonditionen gewährt. Irland und auch Apple wehrten sich dagegen und erhoben Nichtigkeitsklagen vor dem EU-Gericht. Apple hinterlegte bereits im Jahr 2018 eine Summe von 14,3 Mrd. Euro auf einem Treuhandkonto. Daraufhin zog die EU-Kommission eine Vertragsverletzungsklage gegen Irland zurück.
Die Schlüsselfrage in dem Verfahren war, welcher Anteil des in Irland angesammelten Geldes in dem Land hätte versteuert werden müssen.
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So argumentierte Apple
Der iPhone-Konzern hatte vor dem EU-Gericht betont, dass die Erträge der zwei irischen Tochterfirmen, um die es geht, vor allem in den USA zu versteuern gewesen seien. Deshalb sah sich Apple doppelt zur Kasse gebeten. Der Kommission gelang es auch nicht, das Gericht davon zu überzeugen, dass Apple in Irland Sonderkonditionen bekam, die für andere Unternehmen nicht verfügbar waren.
Bei dem Streit geht es nicht nur um viel Geld. Für die Kommission ist es ein massiver Rückschlag in ihren jahrelangen Streitigkeiten mit einzelnen Mitgliedsländern wie Luxemburg um Steuerkonditionen für Unternehmen. Für die in Europa oft gefeierte Kommissarin Vestager war der aufsehenerregende Fall ein Höhepunkt ihrer bisherigen Laufbahn. Zudem sorgte der Fall für Zündstoff im Streit zwischen den USA und Europa über die Besteuerung amerikanischer Unternehmen. Und für Apple ging geht es auch um den Ruf: Der iPhone-Hersteller will nicht als Steuerflüchtling und Trickser dastehen.
Apple argumentierte vor dem EU-Gericht, die irische Tochter Apple Sales International (ASI) sei lediglich für den Vertrieb von Geräten des Konzerns außerhalb Nord- und Südamerikas zuständig gewesen - während die eigentlichen Werte vor allem in den USA geschaffen worden seien. "Das iPhone, das iPad, der App Store und alle anderen Produkte und Dienste von Apple wurden anderswo entworfen und entwickelt." Irland habe deshalb zu recht nur den Teil der bei den Tochterfirmen verbuchten Gewinne besteuert, die auf Aktivitäten in dem Land zurückgingen.
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Schwammige Steuervereinbarungen
Amerikanische Unternehmen konnten nach früheren US-Regelungen Auslandsgewinne außerhalb des Heimatlandes lagern. Bei einem Transfer in die USA wurden 35 Prozent Steuern fällig. Viele Firmen behielten deshalb das Geld im Ausland. Mit der seit 2018 greifenden Steuerreform wurde eine Zahlung auf die Auslandsreserven mit deutlich niedrigeren Sätzen fällig - unabhängig davon, ob sie in die USA gebracht werden oder nicht. Apple zahlt an den US-Fiskus nahezu 38 Milliarden Dollar (aktuell rund 33 Mrd. Euro) Steuern auf den im Ausland angesammelten Geldberg von 252 Milliarden Dollar. Davon entfielen nach Angaben des Unternehmens 21 Milliarden Dollar Steuern allein auf die Gewinne, um die es der EU-Kommission geht.
Die Kommission bestritt zwar nicht, dass ein Großteil des intellektuellen Eigentums bei Apple in den USA entstehe. Allerdings habe die irische Steuerbehörde nicht die notwendigen Analysen des gesamten Geschäfts der Apple-Töchter durchgeführt, um begründet entscheiden zu können, welcher Anteil der Gewinne wo versteuert werden sollte. Die Richter bemängelten zwar, dass Apples damalige Steuervereinbarungen nur unzureichend dokumentiert worden seien - befanden die Argumente der Kommission aber nicht für ausreichend.
Das sagen heimische EU-Politiker
Österreichische EU-Politiker stehen der heutigen Entscheidung kritisch gegenüber: "Das EuGH-Urteil verdeutlicht, wie dringend eine grundlegende Reform des Steuerrechts ist - für uns Grüne ist klar: Die massive Steuervermeidung von internationalen Großunternehmen verursacht enorme Löcher in den Staatshaushalten", betonte die Delegationsleiterin der österreichischen Grünen im Europaparlament, Monika Vana, in einer ersten Stellungnahme. "Wir brauchen eine europäische Lösung in Form von Mindeststeuersätzen für Unternehmen und eine Steuergesetzgebung, die auf die Praktiken der Digitalwirtschaft abgestimmt ist", so Vana.
Für SPÖ-EU-Abgeordnete und Steuerexpertin Evelyn Regner ist das Urteil zwar ein Rückschlag, zeige aber noch einmal wie "drängend" der Reformbedarf sei. "Es zeigt, wie wichtig der Kampf für eine grundlegende Reform des EU-Steuersystems ist, denn durch die dreiste Steuervermeidung der großen Konzerne entgehen uns in der EU jedes Jahr Hunderte Milliarden Euro und im Angesicht von Massenarbeitslosigkeit und Wirtschaftskrise brauchen wir dieses Geld dringender denn je", meinte Regner. Der "zerstörerische Steuerwettbewerb zwischen den EU-Mitgliedstaaten" mache langfristig alle ärmer.