"Industrie 4.0"
Roboter werden immer ausgefuchster
12.04.2015
Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine immer wichtiger.
Autonome Systeme werden handzahm: Auf der Hannover Messe ist die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine ein zentraler Trend für das Megaprojekt "Industrie 4.0". Karlsruher Forscher stellen eine mobile Roboterplattform vor, Daimler treibt das "Robot Farming" voran.
Schau mir in die Augen, Kleiner, und pass auf meine Hände auf - winkt man ihm dreimal mit der rechten Hand zu, wird der Transport-Roboter "Fifi" folgsam wie ein Hündchen. Das am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickelte System wird auf der Hannover Messe vorgestellt und steht beispielhaft für einen der wichtigsten Trends der Industrieschau: Industrieroboter werden "kollaborativ": Das heißt, sie müssen nicht mehr in einem Käfig eingesperrt werden, sondern arbeiten eng mit dem Menschen zusammen. Die Kommunikation von Mensch und Maschine in intelligent organisierten Industrie 4.0-Betrieben werde ein großes Thema in Hannover sein, sagt
eine Messesprecherin.
Roboter sollen Zusammenhänge verstehen
"Wir wollen weg vom Eingeben von Befehlen und hin zu einem System, das je nach Situation versteht, was gerade gebraucht wird", erläutert der Projektleiter am KIT-Institut für Fördertechnik und Logistiksysteme (IFL), Andreas Trenkle. Gut drei Jahre hat das Team für die Entwicklung von "Fifi" gebraucht. In Hannover präsentiert sich "Fifi" als elektrischer Laufbursche, der Lasten trägt und seinem Nutzer überallhin folgt - bis sich dieser wieder abmeldet, mit dreifachem Winken der linken Hand.
"Fifi" ist mit einer Kamera des Microsoft-Systems Kinect ausgestattet und setzt für die Gestensteuerung auch Open-Source-Komponenten, also frei verfügbare Software ein, deren Code offen liegt und angepasst werden kann. Das KIT-Team baute den allerersten Prototyp mit Lego-Steinen. Inzwischen hat das System Anwendungsreife erreicht.
Die kleinere Version, wie sie auf der Hannover Messe gezeigt wird, kann Lasten bis zu 25 Kilogramm tragen, also gerade einen Kasten Bier nach einem anstrengenden Messetag. Die größere Version schafft bis zu 300 Kilogramm.
Für Herstellung und Vermarktung arbeiten die Karlsruher Techniker und Informatiker mit der Firma Bär Automation in Gemmingen (Kreis Heilbronn) zusammen. Ein großer Automobilhersteller hat die mobile Roboterplattform bereits getestet. "Das wurde dort sehr positiv aufgenommen", sagt Bär-Automation-Projektingenieur Philip Kirmse.
Das System werde auch von Gewerkschaftern wohlwollend bewertet. Denn diese Art von Roboter solle den Arbeitsplatz eines Beschäftigten nicht überflüssig machen, sondern vielmehr den Menschen so unterstützen, dass er sich mehr auf den wertschöpfenden Teil seiner Tätigkeit konzentrieren könne. Gerade in einer alternden Gesellschaft könnten Beschäftigte länger arbeiten, wenn sie bei körperlich anstrengenden oder ermüdenden Tätigkeiten von Robotern entlastet würden. Solche "weichen Faktoren" würden künftig mehr in Berechnungen der Wirtschaftlichkeit berücksichtigt als bisher, erwartet Kirmse.
Die Szenarien für "Fifi" sehen vor allem Einsätze in Logistikzentren - etwa von großen Online-Händlern - oder Montagehallen vor. "Der Mitarbeiter kann etwa an Regalen vorbeilaufen und benötigte Teile auf dem Hubtisch von "Fifi" ablegen", sagt Kirmse. Ein anderes Szenario versetzt den Roboter in einen Automatik-Modus und schickt ihn in eine Fertigungszelle, zu der Menschen keinen Zutritt haben und andere Roboter die von "Fifi" gebrachten Teile aufnehmen.
Software wird weiter verbessert
Bär Automation will das System nach der Hannover Messe in einen weiteren Testbetrieb schicken, um die Software für die Steuerung weiter zu verbessern. Konkrete Anfragen gibt es nach Angaben des mittelständischen Unternehmens, das in diesem Jahr einen Umsatz von etwa 17 Millionen Euro erwartet, von einem großen Automobilhersteller und einem Systemlieferanten für Sicherheitstechnik. Die Serienreife für "Fifi" als System für festgelegte Transportanwendungen erwartet Kremse innerhalb eines Jahres nach den anstehenden Praxistests.
Systeme für die Mensch-Roboter-Kollaboration werden unter anderem von Herstellern wie Epson, ABB, Kuka und Gomtec entwickelt. Die Nachfrage der Industrie ist da.
"Die Entwicklung geht in Richtung von sensitiven Leichtbaurobotern ohne Schutzzaun", sagt eine Daimler-Sprecherin in Stuttgart. Für die Autoproduktion treibt Daimler das Fertigungskonzept "Robot Farming" voran. Hier sollen die intelligenten Fähigkeiten des Menschen mit der Präzision und Ausdauer des Roboters kombiniert werden. "In Zukunft wird es um das intelligente Miteinander von Mensch und Technik gehen", heißt es beim Daimler. "Der Mensch wird dabei immer im Mittelpunkt stehen - an seine Flexibilität kommt keine Maschine der Welt heran."
Kann "Fifi" auch bellen? "Kein Problem, das können wir implementieren", sagt KIT-Forscher Trenkle. So hat das System einen Lautsprecher, das sich mit Pieps-Tönen meldet, wenn es mit seinem besonders schnellen Frauchen oder Herrchen nicht mehr Schritt halten kann.