Drastische Änderung bei Foto-App
Snapchat wird jetzt radikal umgebaut
08.11.2017
Facebook-Gegner setzt harte Maßnahmen, um aus der Krise zu kommen.
Snapchat soll nach erneut miesen Quartalszahlen einfacher nutzbar werden. Der grundlegende Umbau solle dem Dienst auch mehr ältere Nutzer bringen, kündigte der Mitgründer und Chef der Betreiberfirma Snap Inc., Evan Spiegel, an. Die Zahlen für das dritte Quartal fielen so desolat aus, dass die ohnehin schwächelnde Aktie im nachbörslichen Handel am Dienstag (Ortszeit) um rund 16 Prozent abstürzte.
Der Verlust hatte sich im Jahresvergleich mehr als verdreifacht, Umsatz und Nutzerzuwachs lagen deutlich unter den Erwartungen der Wall Street. Snap musste zudem rund 40 Millionen Dollar auf liegen gebliebene Geräte seiner Kamera-Sonnenbrille "Spectacles" abschreiben, die eigentlich ein Verkaufsschlager werden sollte. Haupt-Konkurrent Facebook konnte zuletzt hingegen neue Rekordzahlen erreichen. Wenn Snapchat das Ruder noch einmal herumreißen möchte, ist es nun also wirklich höchste Zeit.
>>>Nachlesen: Snapchat-Aktie stürzt weiter ab
Drastische Änderung bei Snapchat-App
Die Zahl täglich aktiver Nutzer legte nur um drei Prozent auf 178 Millionen zu. Der Quartalsverlust erreichte 443,2 Millionen Dollar nach 124,2 Millionen vor einem Jahr. Der Umsatz stieg zwar um 62 Prozent auf knapp 208 Millionen Dollar - Analysten hatten aber mit fast 30 Millionen Dollar mehr gerechnet. Das bedeutet, das Geschäft mit Werbung kommt nicht so schnell in Schwung wie erhofft. Zuvor hatte sich Spiegel noch überzeugt gezeigt, dass die Anzeigenplattform von Snap der Konkurrenz überlegen sei und man das den Werbekunden nur beibringen müsse.
Snap kündigte einen drastischen Einschnitt an: Die Funktionsweise der Snapchat-App soll geändert werden. Nutzer hätten sich oft beschwert, dass sie nur schwer zu verstehen sei, sagte Spiegel. "Deshalb designen wir die App gerade um, um sie einfacher nutzbar zu machen." Er räumte ein, dass die Veränderungen - zumindest kurzfristig - nicht allen aktuellen Nutzern gefallen könnten und unklar sei, wie sie darauf reagierten. "Wir sind bereit, dieses Risiko einzugehen, weil wir glauben, dass das langfristige Vorteile für unser Geschäft bringen wird." Teenager haben in der Regel auch bisher kein Problem mit der Bedienung, Erwachsene finden Snapchat oft verwirrend. Einen Zeitplan für die Umgestaltung nannte Snap nicht.
Als weitere Neuerung soll die Reihenfolge der Fotos in der App geändert werden. Aktuell werden sie strikt chronologisch angezeigt, künftig soll Software sie nach vermuteter Relevanz für den Nutzer sortieren können. Diesen Weg gehen bereits auch Facebook und Twitter.
>>>Nachlesen: Snapchat-Kamerabrille ab sofort in Europa
Kaum neue Nutzer und Spectacles als Ladenhüter
Nordamerika blieb die wichtigste Stütze des Snap-Geschäfts: Mit 77 Millionen täglichen Nutzern wurden dort 80 Prozent der Erlöse erzielt. In Europa stagnierte die Nutzerzahl bei 57 Millionen - und der Umsatz betrug nur 27 Millionen Dollar. Pro Nutzer machte Snap im vergangenen Quartal 2,17 Dollar in Nordamerika und 48 US-Cent in Europa.
Die Höhe der Abschreibung auf die 130 Dollar bzw. 150 Dollar teure Foto-Brille "Spectacles" bestätigte Medienberichte, wonach Snap auf mehreren hunderttausend nicht verkauften Geräten sitzen geblieben ist. Man habe das anfängliche Interesse überbewertet und zu viele Kamerabrillen bestellt, räumte Snap ein. Man werde sie aber weiterhin verkaufen, hieß es.
Snap will zudem mehr interessante Inhalte auf die Plattform locken. Dafür sollen Nutzer die Möglichkeit bekommen, damit Geld zu verdienen. Snapchat war ursprünglich mit von alleine verschwindenden Bildern populär geworden - baute das Geschäft aber dann unter anderem als Plattform für Medieninhalte und mit virtuellen Masken und Filtern aus. Ein Problem für Snap ist, dass Facebook bei seiner Foto-Plattform Instagram mehrere populäre Funktionen nachgebaut hat und damit auf mehr tägliche Nutzer als Snapchat kommt.
>>>Nachlesen: Snapchat hat jetzt eine Suchfunktion
>>>Nachlesen: Echter Snapchat-Erfinder wurde über Tisch gezogen