Wissenschafter warnt
Soziale Netzwerke als "digitaler Exhibitionismus"
22.01.2008
Millionen von Internet-Nutzern drängen in soziale Netze wie Myspace oder StudiVZ. Jetzt warnt der erste Wissenschafter vor der Preisgabe von Informationen.
Diese Online-Plattformen für die Vernetzung von persönlichen Web-Auftritten entwickeln sich zu einer neuen Art von Massenmedium, wie der Digitale-Medien-Experte Hendrik Speck sagt. Völlig offen sei aber bisher die Frage nach der gesellschaftlichen Verantwortung der "Social Networks".
"Mehr Infos als die Stasi"
"Die haben mehr
Informationen, als die Stasi je hatte", sagt der Informatik-Professor der
Fachhochschule Kaiserslautern. Bei den drei Plattformen Facebook, MySpace
und Xing hat Speck insgesamt 120 persönliche Attribute gezählt, die auf den
persönlichen Seiten der Mitglieder angegeben werden können - angefangen bei
Alter und Wohnort über Lieblingsfilme und -musik bis hin zu politischer
Neigung und sexueller Ausrichtung. "Wir sehen da einen völlig irrationalen
Zugang zu den eigenen Daten", kritisiert der Social-Networks-Forscher.
"Digitaler Exhibitionismus"
Was aber treibt die
Internet-Nutzer zu dieser Art von "digitalem Exhibitionismus"? Speck und
seine Studenten haben die Kommunikation in den Netzen mit Hilfe von
Software-Agenten und "Crawlern" zu erfassen versucht - das sind Programme,
die auf die Seiten dieser Communities vordringen und die Inhalte auswerten.
"Wir stellen fest, dass da unheimlich viel offen liegt", sagt Speck.
Anerkennung und Aufmerksamkeit
Als wichtige Antriebskraft hat der
Wissenschaftler das Motiv ausgemacht, über den stetig wachsenden Kreis von
registrierten "Freunden" Anerkennung und Aufmerksamkeit zu erringen. Bei
MySpace oder im SchülerVZ kann sich jeder auf eine Weise präsentieren, wie
es in den klassischen Medien kaum möglich ist. Und weil die persönlichen
Profile mit wenigen Mausklicks schnell erstellt sind, ist die
Eintrittsschwelle sehr viel geringer als bei den Netz-Communities der ersten
Stunde.
Werbung gezielt auf Nutzer zuschneiden
Die Betreiber der sozialen
Netze erzielen mit der Bereitstellung der Plattform zwar bisher meist noch
keine Gewinne, haben aber wegen der gigantischen Zuwachsraten das Interesse
von Internet- und Medienunternehmen geweckt, die wie Microsoft oder die
Verlagsgruppe Holtzbrinck in Social Networks investieren. Der Gegenwert, den
die Nutzer liefern sollen, wird vor allem in der Werbung gesehen.
Neben der klassischen Bannerwerbung auf den eigenen Seiten versuchen die Betreiber der sozialen Netzwerke nach Darstellung Specks, in andere Dienste wie SMS-Werbung oder E-Mail vorzudringen. Um die Werbe-Zielgruppen immer feiner zu erfassen, werde auch untersucht, wer mit welchem Profil mit wem kommuniziere. "Je tiefer die Vernetzung, desto dichter werden die Informationen", erklärt Speck.
Kann Verhaltenskodex helfen?
Um die zahlreichen offenen Fragen
nach der Verantwortung für die Millionen von persönlichen Daten zu klären,
schlägt Speck einen Verhaltenskodex für soziale Netzwerke vor. Für die
gemeinsame Entwicklung von ethischen Grundsätzen will er neben
Datenschützern auch die Betreiber der Communities gewinnen und hofft, schon
in wenigen Monaten eine entsprechende Initiative vorstellen zu können.